ergopraxis 2010; 3(10): 11
DOI: 10.1055/s-0030-1267458
wissenschaft

Psychische Erkrankung – Ein-Euro-Jobs fördern die Reintegration

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Publication Date:
01 October 2010 (online)

 

Die Integration psychisch erkrankter Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt kann gelingen, wenn sich alle Beteiligten von Therapeuten bis Arbeitgeber gut vernetzen. Zu diesem Ergebnis kamen Dr. med. Wolfgang Dillo und seine Kollegen der psychiatrischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).

In einem Modellversuch schuf die MHH hausintern Ein-Euro-Jobs als reguläre Arbeitsplätze, um psychisch erkrankte Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Das Projekt startete mit zwei Teilnehmern, dreizehn weitere kamen später hinzu. Sie alle hatten chronische Krankheitsverläufe, waren langzeitarbeitslos und bezogen Arbeitslosengeld II. Die Jobs beinhalteten beispielsweise Tätigkeiten in der Bibliothek oder im Kinderhort. Sie entsprachen den Fähigkeiten und Interessen der Beteiligten und umfassten 15 bis 30 Wochenstunden. Vier Teilnehmer beendeten die Maßnahme vorzeitig oder unterbrachen sie. Die anderen waren durchschnittlich neun Monate beschäftigt und bewerteten die regelmäßige Tagesstruktur als positiv. Sie hätten sich jedoch mehr Betreuung durch die begleitenden Therapeuten im Verlauf der Maßnahme gewünscht. Das Arbeitsamt konnte einen der Teilnehmer nach einem Jahr vermitteln, ein weiterer erhielt nach zwei Jahren einen regulären Arbeitsplatz in der MHH. Allgemeine Befürchtungen, dass die Belastung an regulären Arbeitsplätzen zu hoch sei, bestätigten sich nicht.

Das Projekt zeigt, dass eine berufliche Integration auch bei chronisch psychisch erkrankten Menschen gelingen kann. Das Job Center Hannover hat der Medizinischen Hochschule daraufhin fünf weitere Arbeitsstellen genehmigt. Die MHH möchte die Ergebnisse nun durch eine qualifizierte Verlaufsbeobachtung, beispielsweise der Lebensqualität, optimieren.

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Kommentar

Endlich eine Studie, die noch während ihres Verlaufs nicht nur theoretische, sondern auch praktische Auswirkungen auf das Leben ergotherapeutischer Klientel hat! Das Engagement von Dr. med. Dillo und seinem Team eignet sich zur Nachahmung, denn die Vermittlung Langzeitarbeitsloser, die zudem noch an einer psychischen Erkrankung leiden, ist bislang nur von äußerst geringem Erfolg gekrönt. Zudem handelt es sich hierbei gesellschaftspolitisch gesehen eher um ein Randthema. Bedauerlich ist dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – die Quote der innerhalb der Studie auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelten Klienten. Es macht nicht gerade Hoffnung, wenn nur zwei von 15 Teilnehmern einen Arbeitsplatz bekommen, wovon einer auch noch zum Projekt selbst gehört. Dass das Jobcenter gleich fünf weitere Stellen genehmigt, ist wohl der größte und erstaunlichste Erfolg des Modellversuchs.

Daniela Wolter, Ergotherapeutin BSc

Fortschr Neurol Psychiat 2010; 78: 288–293

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