NOTARZT 2011; 27(5): 195-196
DOI: 10.1055/s-0031-1276920
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das neue „DIVI-Notfall-Protokoll“[1]

The New Emergency-ProtocolP.  Sefrin1
  • 1agbn – Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte
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Publication Date:
17 October 2011 (online)

Die Dokumentation der Leistungen im Notarztdienst ist nicht nur eine rechtliche Absicherung für den Notarzt, sondern auch die Basis der inzwischen von Rettungsdienstgesetzen der Länder eingeforderten Qualitätssicherung. Gem. § 11 der Berufsordnung für Ärzte hat des Weiteren der Arzt über die in Ausübung seines Berufes gemachten Feststellung und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu führen. Es gehört auch zu den Sorgfaltspflichten des Notarztes sicherzustellen, dass relevante erhobene Befunde und Versorgungsmaßnahmen vor Ort an den weiterbehandelnden Arzt übermittelt werden.

Schon 1978 wurde bei dem 4. Rettungskongress des DRK als Ergebnis festgehalten, dass eine bundeseinheitliche Notarzteinsatzdokumentation erfolgen sollte. 1983 wurde ein Prototyp eines überregionalen Notarzteinsatzprotokolls von den Herren Herden u. Moecke [1] entwickelt, das 1988 von der DIVI übernommen wurde. Nach einer Erprobungsphase wurde nach Diskussion in einer Expertenrunde eine Version 2.0 von der Sektion Rettungswesen der DIVI als verbindlich erklärt [2]. Das DIVI-Notarzt-Protokoll hat sich in der Vergangenheit bewährt und ist inzwischen fast deutschlandweit verbreitet und akzeptiert. Es war der Verdienst der DIVI mit der Schaffung einer einheitlichen Dokumentationsbasis nicht nur ein Dokumentationsinstrument zu kreieren, sondern die Möglichkeit eines Qualitätsmanagements und des Benchmarkings der verschiedenen Notarztdienste zu eröffnen. Es steht außer Frage, dass ein auf einer umfassenden Datenerfassung basierendes Qualitätsmanagement – wie die Vergangenheit in einzelnen Bereichen gezeigt hat – auch zu einer Verbesserung der rettungsdienstlichen Leistungen führt.

Qualitätsmanagement in der Notfallmedizin ist die Basis dafür, dass die Leistungen des Rettungsdienstes für den Patienten dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechend effektiv und effizient erbracht werden. Im Vorfeld der ersten Version des Notarztprotokolls wurde der Versuch unternommen, unter dem Dach der DIVI in der Sektion Rettungswesen gemeinsam mit den Vertretern der Fachgesellschaft zu einem Konsens bezüglich des Inhaltes und des Umfangs der Dokumentation zu kommen. Dies gestaltete sich außerordentlich schwierig, da viele Vertreter einzelner Fachgesellschaften spezielle Ansprüche hatten. Der gefundene Kompromiss verlangte im Hinblick auf die Praktikabilität des Protokolls Abstriche und eine Einigung auf eine gemeinsame Grundlage. Schließlich wurde 1996 über die Anfänge hinaus ein minimaler Datensatz (MIND) definiert, der sich in jedem Protokoll wiederfand, das mit dem Zusatz DIVI-Protokoll versehen war.

Die praktische Notfallmedizin hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Das Patientenkollektiv im Notarztdienst hat sich verändert und an das Qualitätsmanagement werden neue Anforderungen gestellt. Es war der Verdienst der beiden Autoren Messelken und Schlechtriemen sich diesen Herausforderungen zu stellen und 2003 eine MIND-2-Version zu kreieren, in die zusätzliche Elemente für ein Qualitätsmanagement impliziert wurden. Obwohl es auch (durch verschiedene kommerzielle Anbieter) verschiedene Layouts des Notarztprotokolls in der Folge gab, war es unstrittig, dass die verbindliche Basis der MIND 2 war. Es war keine Frage, dass auch die inzwischen geschaffenen Register – sofern sie Bereiche der präklinischen Versorgung mit einbezogen – sich des MIND 2 bedienten.

Die Erfahrung der Praxis zeigte ein Problem im Hinblick auf die bisherige umfangreiche Datenerhebung auf, dass nicht für alle Notarzteinsätze der derzeitige Umfang der Dokumentation erforderlich ist. Die Folge war ein gewisser Verlust der Akzeptanz, was sich in der Tatsache widerspiegelte, dass entweder das DIVI-Protokoll nicht oder nur unvollständig ausgefüllt wurde. Durch die fehlenden Daten war dann jedoch ein QM-System nicht zu realisieren. Aus diesem Grund war es ein wesentliches Anliegen der DIVI, die Überarbeitung des Protokolls in Angriff zu nehmen, um die Compliance zu verbessern.

Dies ist dem Autorenteam gelungen durch eine Konzentration auf ein im Umfang geringeres und inhaltlich gestrafftes Basismodul und eine Kürzung im Datenumfang, der nunmehr auf einer DIN-A-4-Seite abgebildet wird. Das heißt nicht, dass der Kürzung wesentliche Inhalte – z. B. durch wissenschaftlich begründete Adaption und Neuerungen – zum Opfer gefallen wären, sondern sogar neue Aspekte mit aufgenommen wurden (z. B. Atemwegsmanagement). Mit dieser wesentlichen Änderung kann nunmehr dem teilweise geäußerten Vorwurf der „Überdokumentation“ begegnet werden. Als eine weitere Neuerung ist der modulare Aufbau zu nennen, wobei neben dem Basismodul additive Zusatzmodule für spezielle Notfallsituationen existieren sollen und auch in Zukunft noch nach Vorgaben der Fachgesellschaften erweitert werden können. Wie schon in den 80er-Jahren, so haben auch heute die medizinischen Fachgesellschaften spezifische Anforderungen an die Daten der Patienten ihres Fachgebietes. Dem kann entsprochen werden durch die Schaffung dieser Zusatzmodule für Patienten oder für besondere Aufgaben im Rettungsdienst wie z. B. dem Intensiv- oder Schwerlasttransport.

Der Vorteil des MIND 3 wie auch des MIND 2 ist, dass er nicht nur Basis der Dokumentation im Notarztdienst sein soll, sondern er kann und soll auch in die Dokumentation des Rettungspersonals bei der Notfallversorgung ohne Notarzt einfließen. Durch eine einheitliche rettungsdienstliche Dokumentation wird es in Zukunft möglich sein, auch ein einheitliches Bild der präklinischen Notfallversorgung zu bekommen, was in dieser Weise noch aussteht.

Mit dem MIND 3 ist die Basis für ein zukunftsorientiertes Qualitätsmanagement gelegt, das jetzt in die Praxis umgesetzt werden muss. Das Konzept des Qualitätsmanagements geht über die Qualitätssicherung, die im Wesentlichen sich auf Datensammlung und -analyse beschränkte, hinaus. Die Chancen waren noch nie größer als zum jetzigen Zeitpunkt, nachdem in den novellierten Rettungsdienstgesetzen der Länder dies verpflichtend eingefordert wird. Das neue DIVI-Protokoll wird dem gesetzlichen und dem Anspruch der wissenschaftlichen Fachgesellschaften gerecht und bietet durch den Stellenwert der DIVI in der präklinischen Versorgung die Gewähr, dass mit einer schnellen Umsetzung gerechnet werden kann. Die inzwischen von der Industrie für die Umsetzung in eine elektronische Fassung konsentierte Vorgabe ist damit geschaffen und eröffnet neue organisatorische Wege.

Die DIVI hat mit der Überarbeitung des Datensatzes und der Vorstellung des MIND 3 einen wesentlichen Beitrag geleistet, der für andere Bereiche der Medizin beispielhaft sein könnte. Somit wurde sie – wie auch in der Vergangenheit – auch dem Anspruch gerecht, bundesweiter Meinungsbildner in notfallmedizinischen Fragen zu sein. Mit der Vorlage des MIND 3 wird die DIVI auch ihrem eigenen Anspruch zum Qualitätsmanagement in der Notfallmedizin gerecht. Der Arbeitsgruppe gebührt hierfür ein besonderer Dank. Mit ihnen gemeinsam hofft die Sektion „Notfall- und Katastrophenmedizin“, dass die Umsetzung sich möglichst rasch und problemlos realisieren wird. Die Länder und Träger des Rettungsdienstes werden deshalb aufgefordert, ihre Möglichkeiten für eine verbindliche Einführung und Festlegung zu nutzen, um ihren Beitrag zu einer flächendeckenden einheitlichen Dokumentation zu leisten und damit zu einer Systemoptimierung beizutragen.

1 Erstveröffentlichung des Beitrags in DIVI 2011; 3: 89–90 (Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzte-Verlages).

Literatur

  • 1 Herden H N, Moecke H P. Bundeseinheitliches Notarzteinsatzprotokoll.  Notarzt. 1992;  8 42-45
  • 2 Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin – Stellungnahme, Empfehlungen zu Problemen der Intensiv- und Notfallmedizin,. 5. Aufl. Dez. 2004

1 Erstveröffentlichung des Beitrags in DIVI 2011; 3: 89–90 (Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzte-Verlages).

Prof. Dr. med. Peter Sefrin

Sprecher der Sektion Notfall- und Katastrophenmedizin der DIVI

Sandweg 11

97078 Würzburg

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Fax: 0931/284746

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