PiD - Psychotherapie im Dialog 2011; 12(4): 349-350
DOI: 10.1055/s-0031-1276973
Interview
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Die Krankheit schweißt meinen Freund und mich zusammen“

Eine junge Patientin mit Epilepsie im Gespräch mit Michael  Brünger
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Publication Date:
13 December 2011 (online)

PiD: Wann hast du zum ersten Mal die Nachricht bekommen, dass du Epilepsie hast?

D.: Das war etwa vor anderthalb Jahren. Die Nachricht kam nicht überraschend, da meine Familie und ich uns bereits über mögliche Krankheitsursachen informiert hatten.

Wie wurde dir erklärt, was das bedeutet?

Es wurde mir gesagt, dass es eine Krankheit der Nervenzellen im Gehirn und keine psychische Krankheit sei. Mir wurde erklärt, dass die Krankheit gut zu behandeln ist und ich mir keine Sorgen um meine Zukunft zu machen brauche.

Was hat das an deinem Selbstbild und deinem Selbstvertrauen verändert?

Ich kann nicht sagen, dass Epilepsie mein Leben in einer Art und Weise nicht verändert hat. Zu wissen, diese Krankheit zu haben, machte mich anfangs sehr unsicher in meinen Taten. Mittlerweile habe ich jedoch gelernt damit umzugehen und sie als einen Teil von mir zu sehen.

Was hat dir am meisten geholfen?

Meine Familie und meine Freunde haben mir geholfen, indem sie immer ein offenes Ohr für mich hatten, wenn ich in Situationen war, in denen ich nicht damit zurechtkam, dass ich Epilepsie habe. Zu wissen, dass ich nicht allein bin, hat mir sehr geholfen. Außerdem habe ich mich intensiver mit der Krankheit auseinandergesetzt, indem ich meine Facharbeit darüber schrieb.

Nimmst du Medikamente? Was stört dabei am meisten, welche Nebenwirkungen hast du mit Medikamenten erlebt?

Ja, ich nehme Medikamente. Ich nahm lange Zeit Lamotrigin, das meine Anfälle nicht verminderte, sie verschlimmerten sich teilweise. Zusätzlich nahm meine schulische Leistung deutlich ab. Ich schrieb immer schlechtere Noten aufgrund von Konzentrationsschwächen. Das darauffolgende Medikament, Valproin, hatte bei mir den Effekt, dass ich Heißhungerattacken bekam und folglich sehr schnell, sehr viel zunahm. Seit November 2010 nehme ich Levetiracetam in Kombination mit Clobazam und bin seitdem anfallsfrei und zufrieden.

Was war die härteste Einschränkung, die mit deiner Epilepsie verbunden war?

Das schlimmste für mich ist, dass ich bis jetzt noch keinen Führerschein machen durfte. Ich bin auf öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrdienste angewiesen. Natürlich ist es zusätzlich noch unangenehm, erklären zu müssen, wieso ich nicht fahren dürfe, da ich nicht jedem erzählen möchte, dass ich Epilepsie habe und so oft Ausreden suchen muss. Nach meinem Abitur jedoch fange ich, wenn alles klappt, mit meinem Führerschein an, da ich dann anfallsfrei und dazu stressfrei bin.

Was verstehen andere Leute (Nicht-Betroffene) nicht oder falsch, wenn sie von Epilepsie hören?

Der große Fehler liegt darin, dass Nichtbetroffene sofort verallgemeinern und mit Epilepsie auf dem Boden zuckende Körper assoziieren. Jedoch gleicht keine Epilepsie der anderen. Doch das wissen leider zu wenige Leute.

Gab es/gibt es spürbare Auswirkungen auf den Partnerschaftsbereich?

Nein. Mein Freund steht an meiner Seite und unterstützt mich, wo er nur kann. Er kennt sich mit der Krankheit aus und weiß, was zu tun ist, falls ich einen Anfall habe. Ich habe nicht das Gefühl, dass unsere Beziehung darunter leidet, ganz im Gegenteil, die Krankheit schweißt uns eher zusammen.

Gab es/gibt es für dich spürbare Auswirkungen auf Schule, Ausbildung und Beruf?

Wie ich bereits erwähnt habe, hatte ich, unter Einfluss von Lamotrigin, Konzentrationsschwächen. Doch seitdem ich Levetiracetam nehme, wird meine Leistung zunehmend besser.

Bist du bei Ärzten auch auf mangelndes Verständnis für das Thema Epilepsie gestoßen? Was sollen Ärzte über Epilepsie besser wissen und beherzigen?

Vor der Behandlung bei meinem jetzigen Arzt wurde ich von einem Mediziner beraten, dem wir unsere Vermutung mitgeteilt hatten. Dieser wusste nicht, was Epilepsie eigentlich ist. Er blätterte meine scheinbar normalen EEG-Ergebnisse schnell durch und machte einen Haken an die ganze Sache. So etwas sollte nicht passieren. Neurologen sollten diese Krankheit kennen und den ihnen genannten Symptomen einen Wert zuschreiben. Sie sollten alles in ihrer Macht stehende tun, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Gab es Zeiten, wo seelischer Beistand nötig war? Wer oder was konnte am besten helfen?

Es gab durchaus Zeiten, in denen es mir nicht gut ging. Meine Familie, Freunde und vor allem mein Freund haben mir geholfen, eine positivere Sicht auf die Dinge zu haben. Der Schulstress, kombiniert mit meiner Niedergeschlagenheit aufgrund der Krankheit, war sehr schwer zu verarbeiten. Doch durch die Unterstützung und den Halt, der mir vermittelt wurde, geht es mir mittlerweile viel besser.

Herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen!

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