Dialyse aktuell 2011; 15(5): 243
DOI: 10.1055/s-0031-1283271
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Entscheidung, Zustimmung oder Widerspruch?

Christian Schäfer
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Publication Date:
27 June 2011 (online)

Derzeit ist die Organspende wieder ein aktuelles Thema in den Medien – nicht nur aufgrund des bundesweiten Tags der Organspende, der am 4. Juni in Frankfurt am Main stattfand. Das Motto „Richtig. Wichtig. Lebenswichtig.“ transportierte die Intention hinter der Veranstaltung sehr gut: Die Information der Bürger stand im Vordergrund, damit sich diese verstärkt und auf einer breiteren Wissensbasis mit dem Thema auseinandersetzen. So besteht die Chance, dass sich mehr Menschen „offiziell“ für eine Organspende im Falle eines festgestellten Hirntods entscheiden. Denn laut einer repräsentativen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2010 befürworten circa 3 Viertel der Bürger in Deutschland, dass ihnen nach ihrem Ableben Organe entnommen werden. Aber nur etwa 1 Viertel gab an, tatsächlich einen Organspendeausweis zu besitzen. Es mangelt also nicht an der Zustimmung, sondern an der konkreten Entscheidung und Umsetzung – also letztendlich daran, sich einen Organspendeausweis zu besorgen.

Auch die Politik ist in einer Phase der Entscheidungsfindung. Hier steht vor allem folgende Frage zur Diskussion: Was ist besser – die Entscheidungs-, die Zustimmungs- oder doch die Widerspruchslösung? Die Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU) und Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprachen sich Anfang Juni für die Entscheidungslösung aus. Das bedeutet, dass jeder mindestens einmal befragt wird, ob er nach seinem Tod Organe spenden will – etwa dann, wenn man einen neuen Führerschein, Pass oder Personalausweis bekommt. Die Auskunft soll freiwillig erfolgen. Dies wäre auf jeden Fall ein Fortschritt im Vergleich zur derzeit gültigen Zustimmungsregelung, bei der eine routinemäßige Befragung aller Bürger mit der Möglichkeit, gleich einen Organspendeausweis zu beantragen, nicht existiert.

Dr. Markus Söder (CSU) und Stefan Grüttner (CDU), Gesundheitsminister von Bayern bzw. Hessen, favorisieren die Widerspruchslösung: Auf der 84. Gesundheitsministerkonferenz am 29. und 30. Juni in Frankfurt am Main haben sie vor, eine Änderung der Regelung zu fordern. Demnach wäre jeder deutsche Bürger nach dem festgestellten Hirntod Spender, der im Vorfeld nicht ausdrücklich widersprochen hat. Der neue Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ist gegen eine Widerspruchslösung: Er erklärte im NDR, dass unzulässiger Druck ausgeübt werde, wenn jeder zum Spender würde, der zu Lebzeiten nicht eindeutig widersprochen hat. Es herrscht also noch kein Konsens – lassen wir uns überraschen, welche der Lösungen letztlich die Nase vorn haben wird.

Übrigens: Auch der Tag der Apotheke am 9. Juni griff mit dem Motto „In jedem steckt ein Lebensretter“ die Organspende auf. Eine Aufklärungsaktion mit der Deutschen Stiftung für Organtransplantation (DSO) informierte die Bürger und half ihnen dabei, Ängste abzubauen. Auch das leider immer wieder auftretende Problem der mangelnden Therapietreue von Organempfängern fand hierbei besondere Beachtung.

Außerdem zeichnete die DSO zusammen mit der Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen (NRW) Hannelore Kraft (SPD) 7 Kliniken in NRW aus, die sich im vergangenen Jahr besonders für die Organspende eingesetzt haben. Der Juni steht also ganz im Zeichen der Organspende.

Aber nicht nur die Spende von Organen, die von Verstorbenen stammen, sollte im Fokus der Aufmerksamkeit sein. Auch die Lebendnierenspende ist wichtig. Jemand, der sich hierfür im letzten Jahr entschieden und seiner Frau eine Niere gespendet hat (wir berichteten auf Seite 434 in Dialyse aktuell 8/2010), ist Steinmeier. Er sagte zum Tag der Organspende: „Organspenden sind eine Form gelebter Solidarität.“ Wie wahr! Der Tag der Organspende war übrigens ein großer Erfolg – die Helfer konnten viele neue Ausweise ausstellen und auch das Wetter machte mit. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine angenehme Lektüre dieser Ausgabe der Dialyse aktuell bei hoffentlich sommerlich schönem Wetter!

Christian Schäfer

Stuttgart

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