Gesundheitswesen 2011; 73 - A179
DOI: 10.1055/s-0031-1283403

Einflussfaktoren auf die Teilnahme am Mammografiescreening-Programm bei Frauen mit türkischem Migrationshintergrund. Ergebnisse einer qualitativ-explorativen Studie

E Berens 1, O Razum 1
  • 1Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Bielefeld

Einleitung/Hintergrund: Die Prävention von schweren Verläufen von Brustkrebs durch frühzeitige Entdeckung ist im Rahmen des Mammografiescreeningprogramms organisiert. Ältere Frauen mit türkischem Migrationshintergrund haben einen wachsenden Anteil an der weiblichen Gesamtbevölkerung Deutschlands [1] und sind daher eine wichtige Zielgruppe für diese Präventionsmaßnahme. Studien aus anderen Ländern zeigen, dass sich Migrantinnen bei der Teilnahme am Mammografiescreening von der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung unterscheiden [2,3,4]. Daten und Methoden: Zur Erfassung möglicher Einflussfaktoren auf die Teilnahme am Screening bei türkischen Migrantinnen wurden 5 semi-strukturierte Konstruktinterviews [5] mit Schlüsselpersonen aus der Community durchgeführt. Die Kontaktierung erfolgte über ein Schneeballsystem. Die interviewten Personen hatten einen türkischen Migrationshintergrund und waren im Gesundheitsbereich tätig bzw. engagierten sich privat im Gesundheitsbereich. Die Auswertung der transkribierten Interviews erfolgte mittels einer strukturierenden Inhaltsanalyse [6]. Ergebnisse: Einflussfaktoren auf die (Nicht-)Teilnahme am Screening sind einerseits kultur- und herkunftslandspezifisch, wie die Religion oder das Krankheitsverständnis. Hier wurden beispielsweise die mögliche Ablehnung der Entkleidung für die Untersuchung und eine gottgewollte Wahrnehmung der Brustkrebsentstehung genannt. Andererseits sind Faktoren im Zusammenhang mit dem Migrationsprozess, wie die Sprachkenntnisse oder der Wechsel in ein anderes Gesundheitssystem von Bedeutung. So wird das Einladungsschreiben von vielen Frauen nicht verstanden und es besteht Unsicherheit über mögliche Kosten. Auch Wissen, Informationen und Einstellungen erwiesen sich als Einflussfaktoren auf die Teilnahme am Screening. So wurde Prävention generell als eher unwichtig betrachtet. Auch die Struktur und der Ablauf des Screeningprogramms beeinflussen die Teilnahme, wenn beispielsweise der vorgeschlagene Termin im Zeitraum eines längeren Türkeiaufenthaltes liegt. Diskussion/Schlussfolgerungen: Die Anzahl der Interviews ist mit fünf gering. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass bei Experteninterviews die Informationsdichte sehr hoch ist [7]. Die Gründe für/gegen die Teilnahme sind vielfältig, jedoch oftmals nicht basierend auf voller Information. Ziel muss es daher sein, Maßnahmen zu entwickeln, die vorhandenen Barrieren abbauen und eine informierte Entscheidung für/gegen die Teilnahme ermöglichen.

Literatur:

1: Statistisches Bundesamt (2010) Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2009. Fachserie 1 Reihe 2.2. Wiesbaden. 2: Lagerlund M, Maxwell AE, Bastani R, Thurfjell E, Ekbom A, Lambe M (2002) Sociodemographic predictors of non-attendance at invitational mammography screening–a population-based register study (Sweden). Cancer Causes Control 13:73–82. 3: Vermeer B, Van den Muijsenbergh ME (2010) The attendance of migrant women at the national breast cancer screening in the Netherlands 1997–2008. Eur J Cancer Prev 19:195–198. 4: Visser O, Van Peppen AM, Ory FG, Van Leeuwen FE (2005) Results of breast cancer screening in first generation migrants in Northwest. Eur J Cancer Prev 14:251–255. 5: König E (2005) Das Konstruktinterview: Grundlagen, Forschungsmethodik, Anwendung. In: König E, Volmer G (Hg.) Systemisch denken und handeln. Weinheim und Basel: Beltz, 83–115. 6: Mayring P (1993) Qualitative Inhaltsanalyse – Grundlagen und Techniken. 4. Erweiterte Auflage. Weinheim, Deutscher Studienverlag. 7: Bogner A, Menz W (2009) Experteninterviews in der qualitativen Sozialforschung – Zur Einführung in eine sich intensivierende Methodendebatte. In: Bogner A, Littig B, Menz W (Hg.) Experteninterviews – Theorien, Methoden, Anwendungsfelder. 3., grundlegend überarbeitete Auflage. Wiesbaden: VS-Verlag, 7–31.