Gesundheitswesen 2011; 73 - A239
DOI: 10.1055/s-0031-1283436

Soziales Kapital und Gesundheit in Estland und Deutschland

S Dreger 1, A Kasmel 2
  • 1Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Bremen
  • 2Institute of Political Science and Governance; University of Tallinn, Tallinn, Estland

Hintergrund/Einleitung: Soziales Kapital spielt eine entscheidende Rolle bei der Erklärung von Gesundheitsunterschieden zwischen Ländern und Gesellschaften. Es beschreibt Merkmale sozialer Organisationen wie Vertrauen in die Lebensumwelt, Normen und soziale Netzwerke, die die Effizienz der Gesellschaft durch die Erleichterung koordinierten Vorgehens verbessern können. Diese Studie vergleicht den Gesundheitsstatus, das Niveau Sozialen Kapitals und die Beziehung zwischen Sozialem Kapital und Gesundheit in Estland und Deutschland. Diese Fragestellungen wurden für Estland bislang noch nicht und für Deutschland nur wenig erforscht. Daten und Methoden: Datengrundlage dieser Studie war der European Social Survey (ESS) (2006/2007), welcher durch ein standardisiertes Interview erhoben wurde. Der subjektive Gesundheitsstand und die Verteilung von Indikatoren des Sozialen Kapitals (Vertrauen in die Lebensumgebung, Reziprozität und soziale Partizipation), innerhalb und zwischen Estland und Deutschland, wurden mithilfe einer One-Way ANOVA verglichen. Um die Beziehung zwischen den einzelnen Indikatoren und subjektiver Gesundheit in Estland und Deutschland zu untersuchen, wurden logistische Regressionsanalysen, adjustiert für Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Wohngebiet, emotionale Unterstützung, sozialen Kontakt und Beziehungsstatus berechnet. Ergebnisse: In Deutschland wurden 2916, in Estland 1517 Frauen und Männer in die Studie eingeschlossen. Das Niveau subjektiver Gesundheit in Estland ist höher als in Deutschland. Die Verteilung der Indikatoren des Sozialen Kapitals zeigt ein höheres Niveau an Vertrauen, ein niedrigeres Niveau an Reziprozität und sozialer Partizipation in Estland als in Deutschland. In Estland hat Vertrauen einen Einfluss auf den subjektiven Gesundheitszustand (OR=1,7, 95% CI 1,03–1,15). In Deutschland haben Vertrauen (OR=1,17, 95% CI 1,12–1,21), Reziprozität (OR=1,13, 95% CI 1,08–1,17) und soziale Partizipation (OR=1,07, 95% CI 1,01–1,13) einen Einfluss auf die subjektive Gesundheit. Diskussion/Schlussfolgerungen: Die Indikatoren des Sozialen Kapitals sind in Estland und Deutschland unterschiedlich stark mit subjektiver Gesundheit verbunden. In Deutschland ist diese Beziehung weitestgehend unabhängig von demografischen Variablen. Um die Gesundheitszustände in Ost- und Westeuropa anzugleichen ist es sinnvoll, in die Stärkung von Sozialem Kapital zu investieren.