Gesundheitswesen 2011; 73 - A293
DOI: 10.1055/s-0031-1283449

Erwachsene mit einfachem Bildungshintergrund sind insgesamt stärker körperlich aktiv in Deutschland. Ergebnisse des repräsentativen Bundes-Gesundheitssurveys

J Finger 1, T Lampert 1, T Tylleskär 2, G Mensink 1
  • 1Robert Koch-Institut, Berlin
  • 2Centre for International Health – Universität Bergen (Norwegen), Bergen (Norwegen)

Hintergrund: Analysiert wird der Zusammenhang zwischen dem Bildungsstand und dem Bewegungsverhalten von Erwachsenen in Deutschland. Außerdem soll die Rolle der Einkommenssituation, der beruflichen Stellung sowie weiterer Variablen als potenzielle Moderatoren dieser Assoziation betrachtet werden. Methoden: Es wurde eine Sekundäranalyse auf Datengrundlage des bevölkerungsrepräsentativen Bundesgesundheitssurveys 1998 durchgeführt. Untersucht wurden Erwachsene im Alter von 18–79 Jahre (n=6693). Die Zusammenhänge zwischen dem Bildungsstand und der körperlichen Aktivität bei der Arbeit (sitzende Tätigkeit werktags/schwere körperliche Arbeit), in der Freizeit (Sportbeteiligung) sowie der Gesamtaktivität (Gesamtenergieverbrauch) wurden für Männer und Frauen getrennt mithilfe von logistischen Regressionsanalysen berechnet. Die Effektgröße des Bildungsstandes auf die Aktivitätsvariablen wurde (unter Anwendung einer Stepwise-Forward-Analyse) nacheinander adjustiert für: berufliche Stellung, Einkommen sowie weiterer Aktivitätsvariablen (ungleich der verwendeten Zielvariablen). Ergebnisse: Steigender Bildungsstand war assoziiert mit höherer sitzender Tätigkeit werktags, niedrigerer schwerer körperlicher Arbeit, höherer Sportbeteiligung und niedrigerem Gesamtenergieverbrauch. Diese Zusammenhänge waren bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen. Nahm man die berufliche Stellung und das Einkommen in die Modelle auf, wurde der Effekt der Bildung auf die Zielvariablen schwächer. Bildung, berufliche Stellung und Einkommen wiesen Zusammenhänge mit den Zielvariablen auf, die unabhängig voneinander für die Mehrzahl der Gruppenvergleiche signifikant waren. Dabei zeigte sich, dass der Effekt der Bildung auf die Zielvariablen stärker ausfiel als die Effekte der beruflichen Stellung und des Einkommens. Bei Berücksichtigung weiterer Aktivitätsvariablen (ungleich der jeweils verwendeten Zielvariablen) wurden die sozioökonomischen Effekte auf die Zielvariablen schwächer. Diskussion: Der Bildungsstand ist eine wichtige Determinante für das Bewegungsverhalten. Einfach gebildete Personen sind insgesamt stärker körperlich aktiv als die Höhergebildeten. Menschen scheinen Ausgleichsstrategien zu nutzen, um Inaktivität bzw. schwere körperliche Arbeit während der Arbeit mit entgegen gesetztem Bewegungsverhalten in der Freizeit zu kompensieren. Solche Ausgleichsstrategien unterscheiden sich offensichtlich zwischen den sozioökonomischen Strata. Die Betrachtung des Bewegungsverhaltens nach sozioökonomischer Lebenslage kann hilfreich sein, um zielgruppenspezifische Maßnahmen zur Förderung der Sportbeteiligung zu entwickeln.