Gesundheitswesen 2011; 73 - A115
DOI: 10.1055/s-0031-1283454

Wer wird hier befähigt? Zum Einfluss partizipativer Ansätze in der Gesundheitsförderung auf politische Entscheidungsträger(innen) und lokale Expert(inn)en

A Frahsa 1, A Rütten 1
  • 1Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen

Einleitung/Hintergrund: Das Konzept der Beteiligung und Befähigung wird in der Gesundheitsförderung überwiegend bezogen auf Bevölkerungsgruppen mit wenig Einfluss auf die Determinanten von Gesundheit. Wenige Ansätze beziehen sich darauf, inwieweit Gesundheitsförderung im Sinne der Ottawa Charta (WHO 1986) auch politische Entscheidungsträger(innen) und lokale Expert(inn)en befähigt. Dieser Beitrag zielt darauf, Veränderungen bei diesen Gruppen zu konzeptualisieren und operationalisieren. Bezug nehmend auf Ansätze der Policy Analysis (Sabatier/Weible 2007) werden Bedingungen und Prozesse erklärt, die lokalen Politikwandel fördern, hin zu gemeinschaftlichem Handeln, unterstützenden Umgebungen und öffentlicher Gesundheitsförderungspolitik. Daten/Methoden: Dieser Beitrag basiert auf ethnographischer Politikforschung im Rahmen eines partizipativen Aktionsforschungsprojekts zur Bewegungsförderung mit Frauen in schwierigen Lebenslagen in Erlangen/Bayern, gefördert durch die Präventionsforschung des Bundes. Frauen in schwierigen Lebenslagen haben in einer kooperativen Planung gemeinsam mit Entscheidungsträger(innen) und Expert(inn)en sowie der wissenschaftlichen Projektkoordination Maßnahmen zur bewegungsorientierten Gesundheitsförderung geplant, umgesetzt und evaluiert. Daten aus teilnehmender Beobachtung von Projekttreffen, Dokumentenanalysen (z.B. Protokollen von Stadtratssitzungen und Netzwerktreffen) und leitfadengestützte qualitative Interviews mit 11 politischen Entscheidungsträger(innen) und lokalen Expert(inn)en wurden mittels Grounded Theory (Charmaz 2006) analysiert. Ergebnisse: Befähigung von politischen Entscheidungsträger(innen) und lokalen Expert(inn)en in Beteiligungsansätzen bezieht sich auf individuelle Veränderungen in Wahrnehmung, Wissen und Handeln, die zu relativ stabiler Re-Orientierung hin zu Gesundheitsförderung im Sinne der Ottawa Charta führen. Befähigte Teilnehmer(innen) der kooperativen Planung zeigen Veränderungen in ihrer Wahrnehmung von und ihrem Umgang mit so genannten Zielgruppen, in ihrer eigenen Rolle, in Entscheidungs- und Managementprozessen. Diese Veränderungen resultieren in konkretem und nachhaltigem Politikwandel auf lokaler Ebene. Diskussion/Schlussfolgerungen: Partizipative Aktionsforschung in der Gesundheitsförderung befähigt nicht nur so genannte Zielgruppen, sondern beeinflusst alle beteiligten Perspektiven. Kooperative Planung bietet einen adäquaten Rahmen zur Befähigung durch die Einbindung relevanter Perspektiven und schafft eine unterstützende Umgebung für individuelle und politische Veränderungen. Eine Herausforderung ist es, politische Entscheidungsträger(innen) und lokale Expert(inn)en in solche Ansätze außerhalb ihres Alltagsgeschäfts zu involvieren.

Literatur:

Charmaz K (2006). Constructing Grounded theory – A Practical Guide Through Qualitative Analysis. Los Angeles und London: Sage Sabatier PA, and Weible CM (2007). The Advocacy Coalition Framework: Innovations and Clarifications. In Sabatier PA (ed.). Theories of the Policy Process. 2nd Edition. Boulder: Westview Press. World Health Organisation (1986). Ottawa Charter of Health Promotion. Geneva: WHO.