Gesundheitswesen 2011; 73 - A119
DOI: 10.1055/s-0031-1283491

Individuelle Gesundheitsleistungen im deutschen Gesundheitswesen. Ein HTA-Bericht

T Hunger 1, P Schnell-Inderst 1, K Hintringer 1, R Schwarzer 1, V Seifert-Klauss 2, H Gothe 1, J Wasem 3, U Siebert 1
  • 1UMIT – University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, Hall i. Tirol
  • 2TU München, München
  • 3Universität Duisburg-Essen, Essen

Einleitung/Hintergrund: Die Deutsche Agentur für Health Technology Assessment (HTA) beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) beauftragte diesen HTA-Bericht zur Verbreitung von Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) und den damit verbundenen ethischen, sozialen und rechtlichen Aspekten. Daten und Methoden: In Form eines systematischen Reviews wurden empirische Primärstudien zum Angebot, zur Inanspruchnahme, Praxis, Akzeptanz, zum Arzt-Patient-Verhältnis und zur ökonomischen Bedeutung von IGeL bei GKV-Versicherten im ambulanten Bereich untersucht, sowie Publikationen zu ethischen, sozialen und rechtlichen Aspekten. Die Literaturrecherche wurde in den Datenbanken des DIMDI durchgeführt und durch eine Internetrecherche ergänzt. Die Referenzen wurden von zwei unabhängigen Autoren anhand vorab definierter Kriterien ein- oder ausgeschlossen. Die Studienqualität wurde standardisiert erhoben und die Ergebnisse in Übersichtstabellen zusammengefasst. Ergebnisse: Von 1345 Referenzen wurden 571 Texte im Volltext geprüft und 66 eingeschlossen. Davon waren 31 Publikationen zu 29 empirischen Primärstudien zu IGeL und 35 Publikationen, die zur Untersuchung ethischer, sozialer und rechtlicher Aspekte herangezogen wurden. Zwischen 19 und 53% der Versicherten haben schon einmal IGeL-Angebote bekommen, wovon dreiviertel auch durchgeführt wurden. 16 bis 19% der Versicherten haben selbst IGeL nachgefragt. Die Augeninnendruckmessung ist die häufigste IGeL und macht bis zu 40% der Angebote aus. Es folgen Ultraschalluntersuchungen mit bis zu 25% der Angebote, Krebsfrüherkennungsuntersuchungen, Blut- und Laboruntersuchungen, die auch einen Großteil der Nachfrage ausmachen. Die ethischen, sozialen und rechtlichen Aspekte, die im Zusammenhang mit IGeL stehen, betreffen souveräne Patientenentscheidung versus Angebotsinduktion, Kommerzialisierung der Medizin, Aufklärungs- und Informationspflicht, (Qualitäts-) Kontrolle, Rollen und Verhältnis von Arzt und Patient, soziale Ungleichheit und korrekte Leistungserbringung, zu denen auch konkrete Forderungen geäußert werden. Diskussion/Schlussfolgerungen: IGeL werden von vielen Versicherten in Anspruch genommen. Um mehr Transparenz herzustellen, sollte den Forderungen nach evidenzbasierten, unabhängigen Patienteninformationen entsprochen werden. Sie sind außerdem Teil der allgemeinen Diskussion um die Ausgestaltung und Weiterentwicklung des Gesundheitssystems.