Gesundheitswesen 2011; 73 - A183
DOI: 10.1055/s-0031-1283495

Zusätzliche Betreuungsleistungen in der sozialen Pflegeversicherung – Wirkungsanalyse der gesetzlichen Reformmaßnahmen der Neuregelungen im Pflege-Weiterentwicklungsgesetz

S Iwansky 1, H Rothgang 1, R Müller 1, S Sauer 1, R Unger 1
  • 1Universität Bremen, Zentrum für Sozialpolitik (ZES), Bremen

Einleitung/Hintergrund: Seit Einführung der Pflegeversicherung wird der sozialrechtlich definierte Begriff der Pflegebedürftigkeit wiederholt kritisiert. Die nicht-verrichtungsbezogene Pflege und der damit verbundene erhöhte Betreuungsbedarf finden hier keine Berücksichtigung. Der Gesetzgeber reagierte hierauf mit der Einführung zusätzlicher Betreuungsleistungen nach §45b SGB XI für Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz (PEA) mit dem Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz (PflEG) im Jahr 2001 sowie einer Erweiterung der Leistung durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (PfWG) im Jahr 2008. Zielsetzung seitens des Gesetzgebers war, den Grundsatz der Pflegeversicherung ambulant vor stationär weiter zu stärken, indem präventive Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige und gleichzeitig eine qualitätsgesicherte Betreuung für PEA geschaffen wurden. Um beurteilen zu können inwieweit die Reformen greifen, zusätzliche Betreuungsleistungen tatsächlich in Anspruch genommen werden und somit eine längerfristige Pflege im häuslichen Bereich sichergestellt werden kann, sind Analysen zur Inanspruchnahme zusätzlicher Betreuungsleistungen und eine Wirkungsanalyse der gesetzlichen Reformmaßnahmen notwendig. Daten und Methoden: Die Untersuchung erfolgt als Sekundärdatenanalyse auf Grundlage von Krankenkassenroutinedaten der Gmünder Ersatzkasse (GEK). Innerhalb relevanter Kategorien werden in Form von Hochrechnungen die Prävalenz und Inzidenz zusätzlicher Betreuungsleistungen für die deutsche Gesamtbevölkerung im Zeitraum von 2002–2009 analysiert. Ergebnisse: Zusätzliche Betreuungsleistungen werden erst mit Einführung des PfWG deutlich vermehrt in Anspruch genommen, bleiben jedoch weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Die Hauptnutzer sind über 80Jährige. Eine höhere Inanspruchnahme ist primär bei formell-ambulanten Pflegearrangements oder hoher Pflegestufe zu beobachten. Beim Vorliegen multipler Erkrankungen nimmt der Anteil zusätzlicher Betreuungsleistungen deutlich zu. Im Gegensatz zu psychisch Erkrankten nutzen Demenzpatienten die Leistung deutlich häufiger. Ebenso ist der Anteil der Inanspruchnahme bei pflegebedürftigen Kindern hoch. Diskussion/Schlussfolgerungen: Zusätzliche Betreuungsleistungen haben durch die Reformmaßnahmen des PfWG eine Aufwertung erhalten. Dennoch zeigen die Analysen, dass weiterer Entwicklungsbedarf besteht: Eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit wäre sinnvoll, ebenso sollten Hemmnisse zur Inanspruchnahme eruiert werden, um Möglichkeiten für deren Abbau zu finden, im Besonderen ist hier der Fokus auf PEA in informeller Pflege zu legen.

Literatur:

Bieback, K-J. (Hg.) (2009): Die Reform der Pflegeversicherung 2008. Berlin, Münster: Lit (Sozialrecht und Sozialpolitik in Europa, 12). Rothgang, H., Iwansky, S., Müller, R., Sauer, S. & Unger, R. (2010): BARMER GEK Pflegereport 2010. Schwerpunktthema: Demenz und Pflege. St. Augustin: Asgard-Verl. (Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, 5). Schneekloth, U.; Wahl, H.-W. (Hg.) (2005): Möglichkeiten und Grenzen selbständiger Lebensführung in privaten Haushalten (MUG III). Repräsentativbefunde und Vertiefungsstudien zu häuslichen Pflegearrangements, Demenz und professionellen Versorgungsangeboten. Integrierter Abschlussbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Stoppe, G. (Hg.) (2011): Die Versorgung psychisch kranker alter Menschen. Bestandsaufnahme und Herausforderung für die Versorgungsforschung; mit 29 Tabellen. Köln: Dt. Ärzte-Verl. (Report Versorgungsforschung, 3) Zank, S. & Schacke, C. (2007): Projekt Längsschnittstudie zur Belastung pflegender Angehöriger von demenziell Erkrankten (LEANDER). Abschlussbericht Phase 2: Längsschnittergebnisse der LEANDER Studie. Online verfügbar unter http://www.unisiegen. de/fb2/zank/daten/leander_phase_ii_langbericht.pdf, Zugriff am 01.03.2011.