Gesundheitswesen 2011; 73 - A46
DOI: 10.1055/s-0031-1283516

„So was wünsch ich mir von dem […] Arzt, dass der sich mal so'n Tag nimmt und sagt: heute will ich mal mit meinen Patienten sprechen„ – Versorgung am Lebensende aus Sicht von Patienten und Angehörigen: Realität, Anspruch und Visionen

S Krenz 1, K Klindtworth 1, J Bleidorn 2, H Pahlow 1, N Schneider 1
  • 1Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
  • 2Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover

Hintergrund: Um die Versorgung Schwerstkranker und Sterbender zu optimieren, ist intensivierte Forschung zu den Perspektiven von Patienten und ihren Angehörigen zentral. Ziel dieser Arbeit ist es, die Sichtweisen von Betroffenen zu explorieren, fokussiert auf das eigene Erleben der Versorgungssituation und Vorschläge zur Verbesserung.

Methode: Zwei leitfragengestützte Fokusgruppendiskussionen mit Patienten und ihren Angehörigen sowie Hinterbliebenen verstorbener Patienten (insgesamt: n=12 Teilnehmer). Digitale Aufzeichnung und Transkription der Gruppendiskussionen. Inhaltsanalytische Auswertung nach dem Ansatz qualitativer Deskription unter Verwendung des Softwareprogramms MAXQDA.

Ausgewählte Ergebnisse: Vier Kernkategorien wurden herausgearbeitet:

  • Koordination: Einige Angehörige berichten von zusätzlichen Belastungen zur Pflege der Patienten bedingt durch die Organisation von Hilfsmitteln und Verordnungen sowie durch die Koordination der Versorgung. Alle wünschen sich einen kompetenten Ansprechpartner bzw. Lotsen, der Unterstützung bei organisatorischen Fragen bietet. Mehrfach wird der Wunsch nach reibungslosen Übergängen an den Schnittstellen zwischen Versorgern herausgestellt. Ein wohnortnahes Unterstützungssystem für Palliativpatienten und ihre Angehörigen scheint nicht überall verfügbar zu sein.

  • Gespräche mit Ärzten: Hausärzte und Fachspezialisten als empathisch-authentische Gesprächspartner sowie Zeit für Aufklärung und Informationsvermittlung werden als zentral erachtet. Insbesondere in der ambulanten Facharzt- sowie akuten stationären Versorgung vermissen die Fokusgruppenteilnehmer Gespräche auf „Augenhöhe„ zwischen Ärzten und Patienten.

  • Entscheidungen: Ein wesentlicher Wunsch ist, möglichst lange selbstständig und selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und Entscheidungen eigenständig treffen zu können. Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten werden als hilfreich empfunden. Sie können nach Ansicht mancher Teilnehmer dazu beitragen, Erwartungen an die Versorgung bei selbst eingeschränkter Entscheidungsfähigkeit durchzusetzen.

  • Schmerztherapie: Schmerzlinderung ist ein wichtiges Ziel, wobei einige Teilnehmer betonen, mögliche unerwünschte Wirkungen abzuwägen. So werden Entscheidungen gegen eine intensivierte Schmerztherapie geschildert, wenn diese Kommunikations- und Mobilitätseinschränkungen herbeiführe.

Diskussion/Schlussfolgerung: Zeit für Arztgespräche, umfassende Krankheitsaufklärung sowie die Beachtung individueller Bedürfnisse sind wesentlich für eine patientenorientierte Versorgung am Lebensende. Dem sollte durch eine Stärkung „sprechender Medizin„ Rechnung getragen werden.