Gesundheitswesen 2011; 73 - A279
DOI: 10.1055/s-0031-1283518

Reaktionsmuster von Nutzern auf evidenzbasierte Gesundheitsinformationen – der Einfluss soziodemografischer Faktoren und persönlicher Krankheitserfahrungen

I Kreusel 1, G Seidel 1, M-L Dierks 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Hannover

Verständliche, qualitätsgeprüfte und unabhängige Gesundheitsinformationen stellen eine Voraussetzung für die Entscheidungsfähigkeit und Partizipation von Nutzern im Gesundheitssystem dar. Der Umgang mit Gesundheitsinformationen kann durch Bildung, Geschlecht, Alter, Beruf oder Gesundheitszustand der Leser beeinflusst werden. Ziel der Studie war es zu untersuchen, welche soziodemografischen Faktoren welche Reaktionen auf evidenzbasierte Gesundheitsinformationen beeinflussen. Material und Methode: Grundlage der Auswertung sind die Ergebnisse einer Nutzertestung von 248 Gesundheitsinformationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen durch 255 Testleser von der Patientenuniversität der Medizinischen Hochschule Hannover. Hierbei wurden positiv und negativ assoziierte Wirkungen der Texte, wie z.B. Angst, Misstrauen, Verwirrung, Vertrauen, Zuversicht und Glaubwürdigkeit mit einem standardisierten Instrument (fünfstufige Likert-Skala: „trifft voll zu„ bis „trifft gar nicht zu„) erhoben. Die Auswertung wurde mithilfe von T-Tests und der einfaktoriellen Varianzanalyse durchgeführt. Ergebnisse: 65,5% der Tester waren Frauen. Das Alter der Bewerter betrug durchschnittlich 50 Jahre (Median 54, 13–82 Jahre), 54,1% haben einen hohen Bildungsgrad. Es konnten Nutzergruppen identifiziert werden, die die Informationsmaterialien besonders charakteristisch bewerten. Die Ergebnisse deuten an, dass Frauen durch die Informationstexte einen höheren Zugewinn beim Vertrauen in die eigene Kompetenz haben (21,6%; Männer: 8,8%). Negative Wirkungen der Textinhalte werden von chronisch Erkrankten signifikant stärker erfahren als von Gesunden (Infos machen Angst, misstrauisch oder sind verwirrend: Chronisch Kranke: 1,8%; 2,4%; 3,9% vs. Gesunde: 0,6%; 1,5%; 2%). Gesunde Tester haben jedoch eher das Gefühl, etwas Neues gelernt zu haben (28,9% vs. 23,6%). Besonders hervorgetreten ist die Gruppe der Tester mit niedrigem Bildungsstand. Diese haben signifikant bessere Bewertungen in den positiven Kategorien abgegeben als Personen mit mittlerer und hoher Bildung. Schlussfolgerungen: Der identifizierte Einfluss soziodemografischer Faktoren kann nützlich bei der Erstellung evidenzbasierter Gesundheitsinformationen sein. Zu überprüfen wäre, ob Tester mit einem niedrigen Bildungsstand Texteigenschaften nicht bis ins Detail überprüfen und daher „unreflektierter„ bewerten als ihre Mittester.