Gesundheitswesen 2011; 73 - A187
DOI: 10.1055/s-0031-1283524

Auswertung der Arbeit einer Anlaufstelle für minderjährige Opfer von sexuellem Missbrauch

KJ Kügler 1, HJ Boschek 1
  • 1Fachbereich Soziales und Gesundheit/Ennepe-Ruhr-Kreis, Schwelm

Einleitung/Hintergrund: 2004 wurde im Ennepe-Ruhr-Kreis eine Anlaufstelle für minderjährige Opfer von sexuellem Missbrauch eingerichtet. In dem multiprofessionellen Team arbeiten PsychologInnen, PädagogInnen, ÄrztInnen und SozialarbeiterInnen zusammen. Die Beratungsstelle arbeitet niederschwellig und organisatorisch unabhängig von der Jugendhilfe. Zu ihren Aufgaben gehören die Beratung von Betroffenen und deren Bezugspersonen, die diagnostische Klärung von Verdachtsfällen, die Vermittlung (Therapie, Jugendhilfe, Opferschutz, Polizei) und die therapeutisch-stützende Begleitung. Daten und Methoden: Aus der Dokumentation werden die persönlichen Daten, Angaben zu Täter/-innen, Diagnosen der Opfer und strafrechtliche Konsequenzen deskriptiv ausgewertet. Die Auswertung erfolgte unter der Fragestellung, ob das Angebot der Beratungsstelle quantitativ und qualitativ ausreichend für die Opfer von sexuellem Missbrauch ist. Ergebnisse: Von 2004 bis 2010 wurden 384 Opfer von sexuellem Missbrauch beraten. In der Regel melden sich 55 Neufälle pro Jahr, davon sind 78% weiblich. Das durchschnittliche Alter der Opfer beim Tathergang liegt zwischen 9 und 11 Jahren, bis zum Zeitpunkt der Meldung vergehen dann meist noch 2 bis 4 Jahre. Bei der TäterInnenangabe wird in den meisten Fällen (20%) der (leibliche) Vater genannt, gefolgt von unbekannten TäterInnen (19%), danach werden Nachbarn/Bekannte (17%) oder jugendliche Täter/-innen (9%) genannt. Die psychologische Beurteilung ergibt am häufigsten eine post-traumatische Belastungsreaktion (18%), gefolgt von sexualisiertem Verhalten (15%) und Angststörungen (14%). Seltener festgestellt wurden Störungen des Sozialverhaltens, Depression oder Suchtmittelmissbrauch. Die Erstattung von Strafanzeigen ist eher selten, was im Zusammenhang mit dem Ausmaß der Strafe bei Verurteilung noch näher betrachtet werden sollte. Diskussion/Schlussfolgerungen: Die Zahl der Beratungsfälle hat sich mit dem Angebot einer opferorientierten Beratungsstelle vervielfacht. In 90% der Fälle konnte der Missbrauchsverdacht erhärtet werden. Spezialisierung und erleichterter Zugang verringern die Dunkelziffer von Missbrauchsfällen. Auffällig ist der hohe Anteil an männlichen Jugendlichen (22%), die vorher nicht erreicht werden konnten. Dies kann an der stärkeren Vernetzung zwischen Jugendhilfe und Beratungsstelle liegen, sollte jedoch näher betrachtet werden.