Gesundheitswesen 2011; 73 - A200
DOI: 10.1055/s-0031-1283550

Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen in der sozialmedizinischen Lehre

M Michel 1, A Seidel 1, M Müller 1, S Riedel-Heller 1
  • 1Universität Leipzig, Leipzig

Einleitung/Hintergrund: Die UN-Behindertenrechtskonvention wurde 2009 in Deutschland ratifiziert. Artikel 25 fordert den gleichberechtigten Zugang behinderter Menschen zur gesundheitlichen Versorgung. Dieser Anspruch muss sich auch in der Ausbildung von Medizinstudenten widerspiegeln. Daten und Methoden: Im Beitrag werden zwei Lehrangebote für Studierende der klinischen Semester vorgestellt, die auf die Versorgung behinderter Patienten vorbereiten sollen. Seit 20 Jahren bietet die Sozialmedizin in Leipzig das Wahlfach „Einführung in die Gebärdensprache für Medizinstudenten“ an, 2011 erstmalig den Kurs „Sexualität, Partnerschaft, Schwangerschaft und Elternschaft mit Behinderungen“. Beide Kurse sollen die Studierenden befähigen, spezifische Probleme behinderter Menschen in der medizinischen Versorgung zu erkennen und eine adäquate Betreuung zu gewährleisten. Ergebnisse: Insgesamt wurden bisher in 30 Kursen 283 Studenten in die Besonderheiten der Kommunikation mit hörbehinderten Menschen in der medizinischen Versorgung eingeführt. Sie sind am Ende des Lehrganges in der Lage, den Kontakt zum Patienten herzustellen, ein einfaches Anamnesegespräch zu gebärden und notwendige Maßnahmen zu erläutern. Dazu stehen zwei ertaubte Gesprächspartner zur Verfügung. Am Wahlfachkurs „Elternschaft“ nahmen 9 Studierende teil. In insgesamt 28 Stunden reichte das Themenspektrum von Sexualpädagogik über Pränataldiagnostik, Beratungs- und Hilfsangebote für behinderte Eltern bis hin zu zwei Gesprächsrunden mit behinderten Müttern. In beiden Wahlfächern erwies sich die Einbeziehung behinderter Frauen und Männer als Experten in eigener Sache als besonders wirkungsvoll. Mit beiden Angeboten erreichen wir ca. 30 Studentinnen und Studenten, das sind ca. 10% der Studierenden eines Jahrganges, die aus 600 angebotenen Wahlfachplätzen auswählen können. Die Kursevaluation verweist auf das Interesse der Studierenden, mehr über die Lebenswelt behinderter Menschen zu erfahren. Diskussion/Schlussfolgerungen: Medizinstudenten müssen besser auf die Begegnung mit behinderten Patienten vorbereitet werden, um auf deren spezifische Bedürfnisse reagieren zu können. Gleichberechtigte Teilhabe an der medizinischen Versorgung erfordert nicht nur den barrierefreien Zugang zu den Versorgungseinrichtungen, sondern auch medizinisches Personal, das in der Lage ist, mit hoher Fachkenntnis und Empathie behinderte Menschen betreuen zu können.