Gesundheitswesen 2011; 73 - A295
DOI: 10.1055/s-0031-1283579

Der Behandlungsbeginn mit ambulanter Physio- und Ergotherapie nach akutem Schlaganfall

D Peschke 1
  • 1Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin

Hintergrund: Schlaganfälle sind in Deutschland und Europa der Hauptgrund für erworbene lebenslange Behinderungen [1,2]. Eine Weiterbehandlung nach der stationären Entlassung durch Physio- oder Ergotherapeuten oder multiprofessionelle Teams verhindert eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei 7 von 100 Betroffenen [3]. Die Nachhaltigkeit hängt jedoch besonders von einem frühen, konsequenten und umfassenden Therapiebeginn ab [4,5]. Der Sachverständigenrat hat darauf hingewiesen, dass ambulante Therapien bei Schlaganfallbetroffenen zu spät beginnen [2]. Das derzeitige Ausmaß dieses Problems kann für Deutschland nicht eingeschätzt werden, weil die Datenlage dafür ungenügend ist. Die Rahmenbedingungen für ambulante Weiterbehandlungen unterscheiden sich danach ob die Schlaganfallüberlebenden aus der stationären Akut- oder Rehabilitationsbehandlung entlassen werden und ob sie auf Pflege angewiesen sind, denn professionelles Pflegepersonal stellt eine medizinisch gebildete Instanz dar, die neben dem Hausarzt das Ausmaß der Schlaganfallfolgen adäquat einschätzen und damit Therapiebedarfe erkennen kann. Ziel dieser Arbeit ist die situationsspezifische Einschätzung des Ausmaßes von verzögerten physio- und ergotherapeutischen Weiterbehandlungen. Daten und Methoden: Die Stichprobe umfasst alle Mitglieder der deutschen BKK, die 2007 wegen eines Schlaganfalls (ICD I60-I69, G45) akutstationär behandelt wurden und den initialen Krankenhausaufenthalt überlebten (n=4485). Die Abrechnungseinheiten der stationären Akut- und Rehabilitationsaufenthalte wurden zu kontinuierlichen, personenbezogenen Behandlungen zusammengefasst und so das reale Entlassungsdatum ermittelt. Ergebnisse: Ergotherapie (ET) und Physiotherapie auf neurophysiologischer Grundlage (PT-N) beginnen im durchschnitt (Median) 34 und 35 Tage nach Entlassung, Ambulante Rehabilitation (AR) nach 12 Tagen und allgemeine PT nach 54 Tagen. Die Zeit bis zum Beginn der ambulanten Therapien ist nach der stationären Rehabilitation kürzer (Median=14 Tage) als nach dem Akutaufenthalt (Median=50 Tage) und kürzer bei Schlaganfallbetroffenen die Pflegeleistungen erhalten (Median=28 Tage) gegenüber denen ohne diese Unterstützung (Median=62 Tage). Schlussfolgerungen: Schlaganfallspezifische Therapien (ET, PT-N, AR) beginnen schneller als allgemeine PT (größeres Indikationsspektrum). Das Übergangsmanagement nach der stationären Rehabilitation scheint suffizienter zu sein als nach der Akutversorgung. Pflegerisch Unterstützende scheinen auch Aufgaben des Casemanagements wahrzunehmen.

Literatur:

1. Truelsen T, Piechowski-Jozwiak B, Bonita R, et al. Stroke incidence and prevalence in Europe: a review of available data. Eur J Neurol 2006;13:581–598 2. SVR. Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit: Band III Über-, Unter- und Fehlversorgung: SACHVERSTÄNDIGENRAT für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen; 2002 3. Legg LA, Drummond AE, Langhorne P. Occupational therapy for patients with problems in activities of daily living after stroke. Cochrane Database Syst Rev 2006:CD003585 4. Thorsen AM, Holmqvist LW, de Pedro-Cuesta J, von Koch L. A randomized controlled trial of early supported discharge and continued rehabilitation at home after stroke: five-year follow-up of patient outcome. Stroke 2005;36:297–303 5. DEGAM. DEGAM Leitlinie Nr.8: Schlaganfall. 2006