Gesundheitswesen 2011; 73 - A284
DOI: 10.1055/s-0031-1283629

Förderung der informierten Entscheidung im Vorfeld der Teilnahme an den Untersuchungen zur Darmkrebsfrüherkennung – Die Relevanz der Textverständlichkeit und der Nutzerperspektive

G Seidel 1, I Kreusel 1, B Borutta 1, M Dreier 1, S Kramer 1, J Helmstädter 2, J Töppich 3, E Bitzer 2, U Walter 1, M-L Dierks 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
  • 2Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg
  • 3Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln

Hintergrund: Die Verständlichkeit der Gesundheitsinformationen stellt eine für Nutzer elementare Voraussetzung für die informierte Entscheidungsfindung dar. Die Einbeziehung der Erfahrungen und Bedürfnisse von Nutzern ist eine Voraussetzung für die Entwicklung hochwertiger laienverständlicher Informationsprodukte. Hierfür wurden Informationsmaterialen für Screening-Koloskopie einer Nutzertestung unterzogen. Ziel der Studie war es, die Verständlichkeit, Struktur, Design, Wirkung und Glaubwürdigkeit der Texte aus Nutzersicht zu erfassen. Material und Methode: In sechs Nutzertestungen à 2–3 Stunden bewerteten je 7–8 Tester mithilfe eines strukturierten Gesprächleitfadens je 3–4 Gesundheitsinformationen. Jedes Material wurde in drei unterschiedlichen Nutzertestungen drei Mal diskutiert. Die Zusammenstellung der Gruppen erfolgte teils geschlechtsspezifisch und teilweise getrennt nach Broschüre/Flyer. Die Zuordnung der Materialien zu einer Gruppe erfolgte nach dem Zufallsprinzip. Die Testungen wurden aufgezeichnet und transkribiert. Die Auswertung erfolgte auf der Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse. Ergebnisse: Teilgenommen haben 46 Personen (52% Frauen, durchschnittlich 62 Jahren alt, Männer 65 Jahre). Fast alle hatten die deutsche Nationalität, die Hälfte die (Fach-)Hochschulreife. In der Analyse wurden 2.202 Nennungen kodiert, zu 74 Kategorien verdichtet und in 18 Hauptkategorien zusammengefasst. Die Informationsmaterialien weisen Defizite hinsichtlich einer verständlichen Vermittlung von Gesundheitsinformationen auf, es gibt zahlreiche Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten. Vorwiegend kamen die Inhalte der Materialien zur Sprache (20%), gefolgt von Design- und Strukturaspekten (15%, 14%). Auch Aspekte der Wirkungen kamen zum Ausdruck (u.a. Zufriedenheit 7%, Zweifel, Unsicherheit und Sicherheit 9%). Fast alle Tester interpretierten die Texte als Information, aber auch als „Anreiz„ „Aufruf„ und „ein Wachrütteln„, zu einer Früherkennungsuntersuchung zu gehen, unabhängig davon, ob die Texte tatsächlich einen Appell enthielten. Schlussfolgerungen: Vorerfahrungen der Leser und die zahlreichen medialen Kampagnen mit eindeutigen und starken Appellen, zu einer Darmkrebsfrüherkennung zu gehen, scheinen das Bewusstsein der Tester stark geprägt zu haben. Zu diskutieren ist, wie Nutzer zukünftig informiert werden sollten, damit sie eine informierte Entscheidung auf der Basis evidenzbasierter Informationen treffen können und auch wollen.