Gesundheitswesen 2011; 73 - A185
DOI: 10.1055/s-0031-1283636

Besuchsdienste von Krebs-Selbsthilfegruppen: Aspekte der Prozessqualität

W Slesina 1, N Kastirke 2, D Rennert 3
  • 1Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle/Saale
  • 2Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin Universität Greifswald, Greifswald
  • 3Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle/Saale

Einleitung/Hintergrund: Schon seit Mitte der 1970er Jahre bieten mehrere Selbsthilfeverbände Krebskranker Patientenbesuche im Krankenhaus an. Ziele solcher Patientenbesuche durch Gleichbetroffene sind Angstabbau, Ermutigung, Vorbereitung auf den künftigen Lebensalltag der Neuoperierten. Zielgruppen dieser Studie waren Darmkrebsoperierte mit Stoma und brustkrebsoperierte Frauen. Ein Untersuchungsthema bildete die Qualität der Besuchergespräche. Daten und Methoden: Die Patientenbefragung erfolgte schriftlich mit Fragebogen und überwiegend postalisch. Befragungszeitpunkt T1: einige Tage nach OP, T2: drei Monate später. Aus 31 Kliniken liegen verwertbare T1-Fragebögen von 62 Darmkrebspatienten und 74 brustkrebsoperierten Frauen „mit„ Besuchergespräch vor sowie von 36 Darmkrebspatienten und 136 Brustkrebspatientinnen „ohne„ Besuchergespräch. Ergebnisse: Bei durchschnittlich ca. 40-minütiger Gesprächsdauer wurden in den Besuchergesprächen durchschnittlich 10 Themen (Darmkrebspatienten) bzw. 8 Themen (Brustkrebspatientinnen) besprochen. In den Gesprächen der Darmkrebspatienten mit dem/der Besucher/in ging es erheblich häufiger als bei den Brustkrebspatientinnen um alltagspraktische Themen: Aspekte der Körperpflege, Ernährung, eventuell nötige Hilfsmittel, Möglichkeiten eines normalen Lebens trotz der Erkrankung, die Situation zu Hause nach Krankenhausentlassung. Die besuchten Patienten/innen beurteilten die Selbsthilfe-Besucher/innen nach Empathie, Glaubwürdigkeit/Authentizität, Sachkompetenz, Zuhören, Realistik und verfügbarer Zeit sehr positiv. Die Gleichbetroffenheit der Besucher/innen beurteilten 85% der besuchten Patienten/innen als äußerst oder sehr wichtig. Als hauptsächlichen Gesprächsnutzen gaben über 70% beider Patientengruppen an: Der/die Besucher/in hat mir am eigenen Beispiel gezeigt, dass ein normales Leben mit der Erkrankung möglich ist, hat mir das Gefühl gegeben, mit meiner Erkrankung nicht allein zu sein, gab Mut, Hoffnung, Optimismus und zeigte mir neue Wege, mit der Erkrankung umzugehen. Um 80% der Patienten/innen waren mit ihrem Gespräch äußerst oder sehr zufrieden. Einziger signifikanter Prädiktor für die „Gesprächszufriedenheit„ der Patienten/innen (aus 22 unabhängigen Variablen) war die „Beurteilung des Besuchers/der Besucherin durch die Patienten„. Drei Monate später fand sich bei den Patienten/innen „mit„ im Vergleich zu jenen „ohne„ Besuchergespräch (unter statistischer Kontrolle der unterschiedlichen T1-Ausgangswerte) keine günstigere Lebensqualität. Diskussion/Schlussfolgerungen: Die Besuchergespräche bilden neben der professionellen medizinisch-pflegerischen Versorgung ein ergänzendes Unterstützungsangebot für Krebserkrankte durch die Gleichbetroffenen-Selbsthilfe.