Gesundheitswesen 2011; 73 - A266
DOI: 10.1055/s-0031-1283651

In welchem Kontext stehen Arbeitslosigkeit und Familiengründung?

Y Stöbel-Richter 1, M Zenger 2, E Brähler 2, H Berth 3
  • 1Universität Leipzig, Medizinische Fakultät, Leipzig
  • 2Universität Leipzig, Leipzig
  • 3Universität Dresden, Dresden

Einleitung/Hintergrund: Die Gründe und gesellschaftlichen Kontexte von Familiengründung sind inzwischen in zahlreichen Forschungsarbeiten diskutiert worden. Zahlreiche Einflussvariablen wurden überprüft (Kinderbetreuungsoptionen, finanzielle Aspekte, motivationale und Planungsaspekte), wenig Berücksichtigung findet allerdings der Aspekt „Arbeitslosigkeit„. Daten und Methoden: Die Sächsische Längsschnittstudie wurde 1987 initiiert und umfasste 1281 Schüler der Geburtsjahrgangs 1973. Nach dem Abschluss der 3. Welle im Frühjahr 1989 erklärten sich N=587 Befragte bereit, auch weiterhin an der Studie teilzunehmen. Die Studie konnte seitdem mit nahezu jährlich stattfindenden Erhebungen fortgesetzt werden. Bis zum Jahr 2010 lagen insgesamt 24 abgeschlossene Erhebungswellen vor. Ergebnisse: An der 24. Welle der Studie (2010) nahmen 326 Personen teil, 54,6% davon Frauen. Zum Befragungszeitpunkt betrug das Durchschnittsalter 37,3 Jahre. Auswertungsschwerpunkte sind Familiengründung und Arbeitslosigkeit; 70% der TeilnehmerInnen waren mindestens einmal arbeitslos, 76% haben inzwischen Kinder. Die Ergebnisse zeigen, dass sich mehrmalige und Langzeitarbeitslosigkeit verstärkt auf die Familiengründung auswirkt: nicht nur die ideale Kinderzahl wird angepasst, sondern die Familiengründung erfolgt verspätet oder gar nicht. Diese Tendenzen sind sowohl bei Frauen als auch bei Männern zu beobachten. Diskussion/Schlussfolgerungen: Arbeitslosigkeit wurde im Kontext von Familiengründungsprozessen bis dato kaum diskutiert, wenn dann eher vor dem Hintergrund, dass sich Frauen, die geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, sehr zeitig alternierend für ein Kind entscheiden. Dass allerdings erlebte Arbeitslosigkeit langfristig auch in diese Prozesse eingreift, erfordert ein gesellschaftliches Umdenken auf mehreren Ebenen. Personen, die mehrfach finanzielle Unsicherheiten aufgrund von Arbeitslosigkeit erleben mussten, entscheiden sich in der Folge seltener zur Familiengründung. Somit geht es zukünftig also nicht mehr allein nur darum, Familie und Berufstätigkeit zu vereinbaren, sondern eine solide Basis zu schaffen, auf welcher Familiengründung überhaupt erst möglich ist.