Gesundheitswesen 2011; 73 - A314
DOI: 10.1055/s-0031-1283666

Zusammenhang von Bewegung und sozialen Netzwerken mit kognitiven Funktionen bei älteren Personen

C von Arnim 1, F Herbolsheimer 2, J Stingl 3, T Nikolaus 4, R Peter 2, M Riepe 5
  • 1Klinik für Neurologie, Ulm
  • 2Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm
  • 3Institut für Naturheilkunde und Klinische Pharmakologie, Ulm
  • 4Bethesda Geriatrische Klinik, Ulm
  • 5Gerontopsychiatrie, Ulm

Hintergrund: In zahlreichen Studien wurden soziale Netwerke als protektiver Faktor für kognitive Einschränkungen im Alter identifiziert[1–3]. Fraglich ist allerdings, ob dieser Zusammenhang auch unter Berücksichtigung von physischen Einschränkungen und physischer Aktivität nachgewiesen werden kann. Daten und Methoden: Untersucht wurden 1045 Personen aus der ersten Erhebung der ActiFE-Ulm Studie [4]. Die Querschnittsdaten umfassen Personen im Alter von 65 bis 91 Jahren (Mittelwert 77 Jahre). In einem persönlichen Interview wurden Daten zu dem Familienstand und der Kurzform der Lubben Social Network Scale (LSNS-6) erfasst [5]. Diese Skala unterscheidet zwischen familiären Netzwerken und Netzwerken, die sich aus Nachbarschafts- oder Freundschaftsbeziehungen ergeben. Um die kognitive Funktion abzubilden, wurde durch eine Faktorenanalyse ein Faktor extrahiert, der 51 Prozent der Varianz erklärt und sich aus der Mini-Mental State Examination, Wortflüssigkeit, als auch verbaler und visueller Gedächtnisleistung zusammensetzt. Zusätzlich wurde physische Aktivität mit einem Akzelerometer gemessen, der über eine Woche hinweg die Aktivitätsdaten der Probanden aufzeichnete. Ergebnisse: In multivariaten Regressionsanalysen konnte ein positiver Zusammenhang zwischen der Größe des Netzwerkes aus Nachbarn und Freunden und der kognitiven Funktion gezeigt werden. Auch unter Kontrolle von objektiv gemessener physischer Aktivität und körperlicher Funktion, Alter, Geschlecht, Schuljahren, Depression und weiteren Kovariaten bleibt dieser Effekt bestehen (p<0,001). Vergleichbare Effekte konnten bei familiären Netzwerken nicht nachgewiesen werden. In diesem Falle ist der Familienstand alleine ein besserer Prädiktor für kognitive Funktion. Dieser Zusammenhang gilt allerdings nur für Männer, während der Familienstand bei Frauen keinen Einfluss hat. Diskussion: Mangelnde oder keine Bindungen zu Nachbarn oder Freunden ist eine starke Einflussgröße für geringe kognitive Funktion und voranschreitende Demenz. Dieser Zusammenhang von kognitiver Funktion und sozialen Netzwerken besteht weiterhin, auch unter Einbeziehung von physischer Funktion und objektiv gemessener physischer Aktivität. Informationen über soziale Netzwerke sind somit ein beständiger Indikator für kognitive Fähigkeiten und gezielte Interventionen in diesem Bereich.

Literatur:

1. Zunzunegui M-V, Alvarado BE, Del Ser T, Otero A: Social networks, social integration, and social engagement determine cognitive decline in community-dwelling Spanish older adults. J Gerontol B Psychol Sci Soc Sci 2003, 58:S93-S100. 2. Bassuk SS, Glass TA, Berkman LF: Social disengagement and incident cognitive decline in community-dwelling elderly persons. Ann. Intern. Med 1999, 131:165–173. 3. Barnes LL, Mendes de Leon CF, Wilson RS, Bienias JL, Evans DA: Social resources and cognitive decline in a population of older African Americans and whites. Neurology 2004, 63:2322–2326. 4. Denkinger M, Franke S, Rapp K, Weinmayr G, Duran-Tauleria E, Nikolaus T, Peter R, ActiFE Ulm Study Group: Accelerometer-based physical activity in a large observational cohort – study protocol and design of the activity and function of the elderly in Ulm (ActiFE Ulm) study. BMC Geriatrics 2010, 10:50. 5. Lubben J, Blozik E, Gillmann G, Iliffe S, von Renteln Kruse W, Beck JC, Stuck AE: Performance of an abbreviated version of the Lubben Social Network Scale among three European community-dwelling older adult populations. Gerontologist 2006, 46:503–513.