Suchttherapie 2011; 12 - S2_2
DOI: 10.1055/s-0031-1284481

Sucht und Demenz

DK Wolter 1
  • 1Inn-Salzach- Klinkum, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie - Geriatrie, Wasserburg am Inn, Wasserburg am Inn

Regelmäßiger Konsum führt bei vielen Drogen zu leichten kognitiven Beeinträchtigungen, die unter Abstinenz noch einige Zeit fortbestehen können, aber zum großen Teil reversibel sind. Zum neuropsychologischen Vollbild einer Demenz wie auch zu bleibenden strukturellen Hirnschädigungen kommt es hingegen nur selten. Die größten Risiken dauerhafter struktureller Hirnschäden bergen Kokain, Amphetamine und Ecstasy, geringer ist die Gefahr bei Benzodiazepinen, Cannabis und Opiaten. Selbst beim Alkohol ist unklar, inwieweit die reine Alkoholwirkung zu irreversiblen Hirnschäden führt. Dies ist offenbar nur bei dauerhaften sehr hohen Blut-Alkohol-Konzentrationen der Fall, wahrscheinlich wirken häufig Entzugsyndrome verschlimmernd. Bedeutsamer sind die vielfältigen Alkoholfolge- bzw. -begleiterkrankungen. Dasselbe trifft für das Rauchen und Opiate zu. Beim Wernicke-Korsakoff-Syndrom und der HIV-Enzephalopathie handelt es sich nicht um direkte Folgen des Suchtmittels, sondern um indirekte Komplikationen. Die Wernicke-Enzephalopathie verläuft oft oligosymptomatisch bzw. mit „atypischen“ Symptomen, so dass sie sehr häufig nicht erkannt wird und dann unbemerkt in ein Korsakoff-Syndrom mündet. Suchtmittelkonsum und Sucht-Folgeerkrankungen können auf verschiedene Weise im Sinne der zerebralen Multimorbidität zur Entwicklung degenerativer Demenzerkrankungen beitragen. Diese Rolle des Alkoholmissbrauchs als Kofaktor ist epidemiologisch offenbar am wichtigsten, sie wird die mit zunehmendem Alter immer bedeutsamer. Geringfügiger bis mäßiger Alkoholkonsum ist nicht mit einem erhöhten Demenzrisiko verbunden. Schwerwiegender als die kognitiven Einbußen sind möglicherweise die Beeinträchtigungen der Lernfähigkeit durch chronischen Drogeneinfluss, die soziales Lernen, den Erwerb von Copingmechanismen und Stressbewältigungsfertigkeiten behindern und damit zu Persönlichkeitsveränderungen beitragen. Dies gilt bei Langzeitanwendung wohl auch für Benzodiazepine in therapeutischen Dosierungen. Die Gefahren sind umso größer, je jünger und unreifer das Gehirn ist. Außerdem besteht eine deutliche Beziehung zur kumulativen Dosis.