Suchttherapie 2011; 12 - S23_6
DOI: 10.1055/s-0031-1284581

Störungen von Identität und Interpersonalität bei Menschen mit Internet- und Computerspielabhängigkeit

BT te Wildt 1, I Putzig 2, A Vukicevic 1, F Wedegärtner 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Hannover
  • 2Universitätsklinik Aachen, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Aachen

Internet- und Computerspielabhängigkeit geht bei den zumeist jungen Betroffenen häufig mit einem ausgeprägten sozialen Rückzug beziehungsweise mit Entwicklungsverzögerungen in verschiedenen Lebensbereichen einher. Die vorzustellende Studie geht darüber hinaus von der Hypothese aus, dass Internetabhängige vergleichsweise häufig unter Störungen in den Bereichen Identität und Interpersonalität im engeren Sinne leiden. Hierzu wurden 25 Internet- und Computerspielabhängige klinisch und mit dem Strukturierten Klinischen Interview nach DSM-IV (SKID-I) auf komorbide Störungen und relevante andere psychopathologische Variablen hin untersucht. Psychometrisch wurden die Betroffenen mit einer im Hinblick auf Geschlecht, Alter und Schulbildung gleichsinnig verteilten Kontrollgruppe (n=25) unter Verwendung der Internetsuchtskala (ISS), der Sense-of-Coherence-Scale (SOC), dem Fragebogen für Dissoziative Symptome (FDS) und dem Inventar für Interpersonale Probleme (IIP-D) verglichen. Dabei zeigen die Medienabhängigen–neben einer hohen Komorbiditätsrate für depressive Erkrankungen und Angststörungen–signifikant niedrigere Werte für Selbstkohärenz (SOC) und signifikant höhere Werte für Dissoziation (FDS) und interpersonale Probleme (IIP-D). Besonders hohe Werte erzielen die Probanden auf der IIP-D-Subskala „zu selbstunsicher / zu unterwürfig“. Diese Skala korreliert zudem mit der Ausprägung der Internetabhängigkeit (ISS). Die Ergebnisse sprechen dafür, dass Selbstunsicherheit und Beziehungsstörungen bei der Entstehung von Internet- und Computerspielabhängigkeit von besonderer Bedeutung sind. Es wird dafür plädiert, Störungen von Identität und Interpersonalität auch im Sinne einer psychodynamischen Perspektive im Hinblick auf Diagnostik und Therapie von Medienabhängigkeit größere Aufmerksamkeit zu widmen.