Suchttherapie 2011; 12 - PO12
DOI: 10.1055/s-0031-1284662

Baclofen, ein geeignetes Anti-Craving-Mittel?

CU Weigel 1, F Kreuzeder 2
  • 1Suchthilfezentrum Gießen, Gießen
  • 2Paradigmenwechsel e.V., München

Hintergrund: Das erweiterte Verständnis biologischer Vorgänge in den Neurotransmittersystemen kann das Symptom des Alkoholismus auf eine Störung dieses Gleichgewichts zurückführen. Daraus ergibt sich ein völlig neues Verständnis über Erkrankungen, die auf stofflichen Süchten beruhen. In diesem Zusammenhang eröffnen sich auch neue Behandlungsmöglichkeiten bei Angst und Depression (Cryan, Kaupmann, 2005).

Insbesondere das bisher als Muskelrelaxans bekannte Baclofen scheint in der Lage zu sein, als Agonist des GABA-B-Rezeptors dieses Gleichgewicht wieder herzustellen. Die Anwendung von Baclofen in der Neurologie erfolgt seit mehr als 40 Jahren ganz überwiegend ohne signifikante unerwünschte Wirkungen. Der Heilungserfolg des französischen Kardiologen O. Ameisen von Alkoholismus mit Komorbidität Angst und Dysphorie durch Selbstmedikation mit Baclofen ist beispielhaft (Ameisen, 2005). Ein Paradigmenwechsel in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit zeichnet sich ab. Das Ziel der Behandlung ist nicht mehr ausschließlich die Abstinenz (Uchtenhagen, 2009), sondern eine Unterdrückung des Craving (Suchtdruck).

Ziel: Implementierung einer optionalen Behandlung der Alkoholkrankheit mit Baclofen in den medizinischen Alltag – auch unter dem Aspekt der Rückfallprophylaxe. Unter erfolgreicher Therapie verstehen wir das Erreichen eines cravingfreien Zustandes mit sozial- und gesundheitsverträglichem Alkoholkonsum oder zufriedener Abstinenz. Die Ergebnisse mehrerer webbasierter Umfragen des in 2009 von Betroffenen gegründeten Alkohol-und Baclofen-Forums (Rippel, Kreuzeder, 2010) sowie zahlreiche Beobachtungen in der Praxis scheinen eine „off-label“-Verschreibung, insbesondere auch unter Berücksichtigung von Kosten/Nutzen-Effekt und Erfolgen der etablierten Therapieformen zu rechtfertigen.

Methode: Vortrag.

Resultat und Schlussfolgerung: Baclofen ermöglicht bei interindividuell angepasster Dosierung meist eine schnell erreichbare Trinkpause, bzw. Reduktion des Alkoholkonsums bis zur „völligen Gleichgültigkeit“ gegenüber Alkohol. Die gleichzeitig positive Beeinflussung der häufigen Komorbiditäten Angst und Depression, erlaubt eine effiziente, individualisierte Psychotherapie mit Verbesserung der „Selbststeuerungsfähigkeit“.

Literatur: Cryan JF, Kaupmann K (2005): Don’t worry ‘B’happy!: a role for GABAB receptors in anxiety and depression. Trends in Pharmacological Sciences 26, 36-43 Ameisen O (2005): Complete and prolonged suppression of symptoms and consequences of alcohol-dependence using high-dose baclofen: a self-case report of a physician. Alcohol and Alcoholism 40, 2, 147-150 Uchtenhagen A (2009): Abstinenz als gesellschaftlicher und therapeutischer Leitgedanke. Suchttherapie 10, 75– 80 Rippel H, Kreuzeder F (2010) Efficacy of Baclofen in the treatment of alcoholism (2010): http://www.paradigmenwechsel-ev.de/Willkommen/Publikationen_files/efficacy%20of%20baclofen.pdf Müller C, Vollmer K, Hein J, Heinz A.(2010): Baclofen zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit. Sucht 56 (3-4), 167-174