Suchttherapie 2011; 12 - PO32
DOI: 10.1055/s-0031-1284682

Freundschaftsdienste, Eigenbedarfsdeckung, Profitorientierung – Einblicke in das Geschehen privater Drogenmärkte

B Werse 1, C Schell 1
  • 1Goethe-Universität Frankfurt, FB Erziehungswissenschaften, Centre for Drug Research, Frankfurt

Das hier präsentierte DFG-Projekt „Die Distribution illegaler Drogen“ befasst sich mit Handel und Weitergabe illegaler Substanzen in sozial unauffälligen Milieus – ein Dunkelfeld, über das bislang nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Im Rahmen dieser Untersuchung werden seit November 2010 im Raum Frankfurt a.M. zahlreiche leitfadengestützte Interviews mit Konsument(inn)en und Händler(inne)n geführt.

Anhand der bislang durchgeführten Feldforschung kann bereits ein breites Spektrum an Handlungsmodi und Motivlagen dargestellt werden, das vom gelegentlichen, reinen (partizipativen) Konsumenten bis zum Großdealer reicht. Auf Basis dieser Ergebnisse wird im Rahmen des Vortrags eine Typologie präsentiert, die auf unterschiedliche Involvierungsgrade in das Handelsgeschehen verweist. Unter anderem wird dabei die erhebliche Bedeutung von unentgeltlicher bzw. nicht profitorientierter Drogenweitergabe unter Freunden/Bekannten („social supply“) deutlich.

Zudem werden beispielhaft unterschiedliche Konsumenten- bzw. Händlerbiographien nachgezeichnet. Dabei liegt der Fokus auf der jeweiligen individuellen Motivlage, der Selbst- und Fremdwahrnehmung und dem Zusammenhang von Handel und eigenem Konsum. Mithilfe des als theoretischen Ansatz verwendeten kriminologischen Karrieremodells können dabei nicht nur Entwicklungen beschrieben werden, in denen die Handlungen des Dealers immer stärker von der sozialen Normalität abweichen („drifting into dealing“), sondern auch Wendepunkte, durch die sich das Individuum wieder stärker in Richtung Konformität bewegt. Diese Resultate können unter anderem als Anhaltspunkte zur Prävention zukünftiger devianter Karrieren genutzt werden.

Neben dieser biographischen Perspektive werden exemplarisch Handelsnetzwerke einzelner Händler inklusive Gewinnmargen, Kundenkreis und Lieferantenwege dargestellt. Abschließend wird auf Einflüsse und Effektivität der Strafverfolgung bezüglich der untersuchten Gruppe eingegangen.

Literatur: Coomber, R./Turnbull, P. (2007): Arenas of Drug Transaction: Adolescent Cannabis Transactions in England - Social Supply. In: Journal of Drug Issues, Jg. 37, H. 4, S. 845–865 Murphy, S./Reinarman, C./Waldorf, D. (1998): Drifting into Dealing. Wie man Kokainverkäufer wird. In: Paul, B./ Schmidt-Semisch, H. (Hg.): Drogendealer. Freiburg: Lambertus 1998: 127-147 Werse, B. (Hg.) (2008): Drogenmärkte. Strukturen und Szenen des Kleinhandels. Frankfurt: Campus Werse, B. (2010): Kleinhandel von Cannabis und anderen Drogen. In: SuchtMagazin, 6: 39-44 Wilkins, C. & Sweetsur, P. (2006): Exploring the structure of the illegal market for cannabis. In: De Economist, 154, 4: 547-562