Z Gastroenterol 2011; 49 - P271
DOI: 10.1055/s-0031-1285542

Familiäre Adenomatöse Polyposis mit kompliziertem Krankheitsverlauf bei 20 Mb großer Deletion am langen Arm von Chromosom 5

M Casper 1, E Petek 2, W Henn 3, F Lammert 1, J Rädle 4
  • 1Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Innere Medizin II, Homburg/Saar, Germany
  • 2Medizinische Universität Graz, Institut für Humangenetik, Graz, Austria
  • 3Universitätsklinikum des Saarlandes, Institut für Humangenetik, Homburg/Saar, Germany
  • 4Westpfalz Klinikum, Klinik für Innere Medizin III, Kaiserslautern, Germany

Einleitung: Die Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP) ist eine autosomal dominant vererbte Erkrankung (Inzidenz 10:100.000), die in ihrer klassischen Form mit der Ausbildung hunderter bis tausender kolorektaler Adenome und fakultativ breitem Spektrum extrakolonischer Manifestationen einhergeht. Ursächlich sind in der Mehrzahl der Fälle Punktmutationen im APC-Gen (5q22.2) mit enger Genotyp-Phänotyp-Beziehung bezüglich Polyposisausprägung und extrakolonischen Befunden.

Fallbeschreibung: Bei einer 25-jährigen Patientin mit leichtem Retardierungs- und Fehlbildungssyndrom (orofazial, Klumpfuß, malrotierte Verschmelzungsniere, ISG-Anomalie) in Folge einer mikroskopisch nachgewiesenen 5q-Deletion wurde klinisch eine FAP diagnostiziert (<500 kolorektale Adenome). Extrakolonisch fand sich neben multiplen Fundusdrüsenpolypen eine duodenale Polyposis Spiegelman Stadium II. 2 Jahre Nach Proktokolektomie waren CT-morphologisch 3 neu entstandene Desmoide abgrenzbar (Rektusscheide 10cm; fossa iliaca 9cm; mesenterial 3cm). Bei Kompression von Ileostoma und Ureter unter Therapie mit Celecoxib und Tamoxifen erfolgten eine Resektion der beiden größten, technisch resektablen Desmoide sowie eine Dünndarmteilresektion und Uretero-ureterostomie. Bei rascher Progredienz des verbliebenen Tumors mit drohender Dünndarminfiltration, jedoch klinisch dominierendem Kurzdarmsyndrom wurde eine Radiotherapie (fraktioniert 50,4Gy) eingeleitet. Unter Fortführung der antiproliferativen Therapie und supportiven Maßnahmen besteht seither eine stabile Erkrankungssituation.

Zur genaueren Charakterisierung der 5q Deletion erfolgte ein CGH-Array. Hier zeigte sich eine Deletion von 20.21Mb [arr cgh 5q21.3-q23.3; g.(107111854_107206183)_127742453_127795643)del] mit Verlust von 65 Genen einschließlich APC bei unauffälligem Chromosomenstatus der Eltern.

Schlussfolgerung: Bei FAP mit fehlendem Mutationsnachweis in den Routineverfahren muss an partielle oder komplette Deletionen des APC-Gens gedacht werden. Eine FAP im Rahmen des seltenen 5q-Deletionssyndroms ist bisher erst in 5 Fällen beschrieben, wobei ähnlich detaillierte genetische Charakterisierungen bislang fehlen. Desmoide stellen eine komplexe therapeutische Herausforderung dar, die ein interdisziplinär eng angestimmtes Vorgehens erfordern.