Sprache · Stimme · Gehör 2011; 35(03): 125-126
DOI: 10.1055/s-0031-1291976
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Genetik – Neues Taubheitsgen entdeckt

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Publication Date:
30 September 2011 (online)

 

Eine internationale Forschergruppe hat herausgefunden, dass eine bestimmte Genmutation eine gestörte zelluläre Signalgebung von Kalzium-Ionen auslöst und damit beim Menschen zu Taubheit sowie einer stark verlangsamten Herzfrequenz und Herzrhythmusstörungen führt [Nature Neuroscience 2011; 14: 77–84].

Prof. Jutta Engel, Homburg, forscht unter anderem an den Haarzellen des Innenohres von Mäusen: "Wir entnehmen das Corti-Organ … und messen winzige Kalziumströme. Dabei haben wir herausgefunden, welcher Typ von Kalziumkanal in den Haarsinneszellen in Folge eines Schallreizes geöffnet wird." Mäuse, die nicht über diese Cav1.3-Kanäle verfügen, sind nicht nur taub, sondern haben auch einen stark verminderten Ruhepuls – bei Mäusen bestimmt der Cav1.3-Kanal im Sinusknoten den Herzrhythmus.

Ein Team unter der Leitung von PD Dr. Hanno Bolz, Köln, entdeckte nun in einer entlegenen Bergregion in Pakistan Familien mit fast erwachsenen Kindern, die taub waren und einen Ruhepuls von nur 35 Herzschlägen pro Minute hatten. Da die Eltern eine Verwandtschaft 2 Grades aufwiesen, lag der Verdacht nahe, dass ein genetischer Defekt Ursache ist. Alle Betroffenen wiesen dieselbe Mutation im Cav1.3-Kalziumkanal auf – einem Einschub einer zusätzlichen Aminosäure.

Die Gruppe um Prof. Jörg Striessnig, Innsbruck, fand heraus, dass die zusätzliche Aminosäure verhindert, dass sich der Ka nal bei Erregung der Zellen öffnen kann. Die mutierte Kanalpforte gibt es nur in einer bestimmten Variante des Cav1.3-Kalziumkanals, über deren Vorkommen bislang nichts bekannt war. Die Homburger Forscher wiesen nun nach, dass in Haarsinneszellen von Mäusen tatsächlich nur die seltene Kanalvariante vorhanden ist. Eine Forschergruppe aus Frankreich kam beim Maus-Sinusknoten zu dem gleichen Ergebnis. Die Symptomatik der pakistanischen Patienten ist tatsächlich durch fehlende Kalziumströme begründet.

Informationsdienst Wissenschaft, Irina Urig,
Pressestelle der Universität des Saarlandes