Ultraschall Med 2012; 33(2): 119-121
DOI: 10.1055/s-0031-1299442
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Weiterbildung in Ultraschall

Training and Education in UltrasoundK. A. Jaeger1
  • 1University Hospital, Basel, Switzerland
Further Information

Publication History

Publication Date:
18 April 2012 (online)

Das Erlernen von Ultraschalluntersuchungen erfolgt i. d. R. im Rahmen der ärztlichen Weiterbildung und ist in vielen Ländern an die fachspezifische Weiterbildungsordnung gebunden. Wie auch in vielen anderen Gebieten in der Medizin basiert das Lernen des Ultraschalls auf dem Erwerb der theoretischen Grundlagen und der klinischen Anwendung. Unter den Lerntheorien ist das Thema Wissen und Lernen ein bekanntes und etabliertes Forschungsfeld, das zwischen den Begriffen „explizitem Wissen“ und „implizitem Wissen“ unterscheidet [1] [2]. Wissenschaftliche Erkenntnisse können demnach in Form von explizitem Wissen ausgedrückt und als Theorien, Richtlinien, Dokumente, Bücher, Fachzeitschriften etc. hinterlegt werden [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19]. Es handelt sich hierbei in erster Linie um Faktenwissen. Das explizite Wissen („know that“) ist somit eher abstrakt und standardisierbar. Die Wissensvermittlung kann hierbei verbal durch Vorträge, Kurse und schriftliche Informationen erfolgen [1].

Das implizite Wissen („know how“) dagegen ist schlechter in eine formalisierte Sprache übertragbar. Es beschreibt vielmehr die Umsetzung von Wissen in praktisches Können und ist geprägt von den Erfahrungen. Das Können hängt dabei nicht primär von dem expliziten Wissen ab, sondern wird routinemäßig in der Praxis erworben. Damit ist das implizite Wissen im Vergleich zum expliziten Wissen schwerer zu vermitteln [1] [2] [20]. Plakativ ausgedrückt werden das implizite Erfahrungswissen und Können in erster Linie durch „learning by doing“ erworben. Praktische Erfahrungen prägen hierbei den Lernprozess.

Betrachtet man nun die ärztliche Weiterbildung in Anlehnung an diese Theorie, findet man bereits Konzepte, die diesem Ansatz Rechnung tragen. Das fachspezifische Wissen kann anhand der theoretischen Weiterbildung vermittelt werden und ist über das Kurswesen in vielen Ländern und Fachgesellschaften geregelt [8] [9] [12]. Das praktische Lernen erfolgt überwiegend berufsbegleitend, sozusagen „on the job“.

Die bildgebende Diagnostik baut hierbei auf den fachlichen Kenntnissen der Krankheitsbilder auf und erfordert ein Mindestmaß an klinischer fachgebundener Weiterbildung. Parallel dazu muss neben dem zusätzlichen Wissen über die Ultraschalldiagnostik die fachliche Anwendung erlernt und erworben werden. Der Erwerb der fachlichen Befähigung für Ultraschalluntersuchungen erfolgt meistens nach der entsprechenden Weiterbildungsordnung begleitet von definierten Ultraschallkursen. Zusätzlich werden fachspezifisch und länderspezifisch Untersuchungszahlen erwartet. In jüngster Zeit wird damit zunehmend der Aspekt der Supervision thematisiert [21]. Im klinischen Alltag wird oft die Untersuchung von dem Weiterzubildenden allein durchgeführt und der Weiterbildner ist „beiziehbar“. Damit ist im praktischen Teil der Weiterbildung der Lernprozess weitaus weniger strukturiert als die theoretische Weiterbildung im Ultraschall. Das Schweizer Institut für Weiter- und Fortbildung, wie auch in andern Ländern üblich, fordert eine differenzierte, auf den Stand der Weiterbildung abgestimmte Definition der Supervision [21]. Dies führte dazu, dass Anpassungen in den geltenden Fähigkeitsprogrammen vorgenommen werden mussten. Entsprechend muss nun die ganze Ultraschalluntersuchung von Beginn an zusammen mit einem anerkannten Weiterbildner durchgeführt werden. Mit zunehmender Erfahrung genügt eine Kontrolle der Befunde. Der Weiterbildner muss alle Untersuchungsbefunde visieren [21]. Gefordert werden eine schriftliche und bildliche Dokumentation aller erhobenen Befunde sowie das Führen eines Logbuchs. Auch die Qualifikation des Supervisors ist Gegenstand der Diskussion. Sind Kriterien für Kursleiter und Tutoren in vielen Ultraschallgesellschaften und in den jeweiligen Fachgesellschaften bereits seit Langem festgelegt, fehlt bislang für die Supervision eine eindeutige Definition.

Eine Mindestanforderung wäre, dass alle Weiterbildner im Besitz eines fachspezifischen Fähigkeitsausweises Sonografie oder einer analogen Qualifikation (z. B. Facharzttitel) im zu vermittelnden Anwendungsbereich sein sollten.

Berechtigterweise könnte diskutiert werden, warum im Gegensatz zu vielen anderen Gebieten der Medizin in der Ultraschalldiagnostik derart viele Auflagen nötig sind. Hierzu ist festzuhalten, dass die Ultraschalluntersuchung eine dynamische und damit vermehrt untersucherabhängige Untersuchungsmethode ist.

Betrachtet man das gemeinsame Ziel der nationalen Ultraschallgesellschaften und der Europäischen Föderation der Gesellschaften für Ultraschall in der Medizin und Biologie (EFSUMB [8]), so ist die Qualitätssicherung in der Ultraschalldiagnostik ein Hauptanliegen [3] [4] [5] [6] [7]. In vielen Ländern wurde das Konzept von Grund-, Aufbau- und Abschlusskursen eingeführt, um das Fachwissen zu vermitteln [8].

In einer Zusammenstellung der Kriterien für eine Basis-Weiterbildung im geburtshilflich-gynäkologischen Ultraschall verschiedener europäischer Länder (Dänemark, England Frankreich, Deutschland, Italien, Norwegen, Schweden, Schweiz) fallen gewisse Unterschiede und das Fehlen von Standards auf [22]. Andererseits wird deutlich, dass ein weitgehender Konsens herrscht betreffend Dauer der Weiterbildung, den Nachweis von Ultraschallkursen und die Mindestanzahl von Untersuchungszahlen. Hingegen scheint insbesondere eine formalisierte praktische Weiterbildung nur in wenigen Zentren gegeben zu sein [22]. Hier liegt eines der Grundprobleme der Weiterbildung, insbesondere in Zeiten der knappen Ressourcen und ungenügender tarifarischer Berücksichtigung der Kosten der Weiterbildung. Letztlich ist eine Supervision an eine entsprechende personelle Ausstattung gebunden, sodass in der Weiterbildung, die i. d. R. in den Krankhäusern stattfindet, das Erlernen der Ultraschalldiagnostik nicht ausreichend strukturiert, standardisiert und supervidiert ist. Hier kann die Qualität der Ultraschalldiagnostik für die Zukunft verbessert werden. Es sollte ein besonderes Anliegen sein, eine praktische Weiterbildung mit ausreichender Qualität einzufordern. Hilfreich hierfür kann sein, dass die Supervision und die Qualifikation der Weiterbildner definiert werden. Ein Testat über die durchgeführte Anzahl von Untersuchungen allein sollte nicht mehr genügen.

Als Beispiel für einen Benefit einer strukturierten Weiterbildung kann die Messung der fetalen Nackentransparenz betrachtet werden. In verschiedenen Studien zeigte sich, dass die Messgenauigkeit und damit die Qualität der Untersuchung vom Erfahrungsstand des Untersuchers abhängt [23] [24] [25]. Daher wurden standardisierte Untersuchungsbedingungen definiert und weltweit etabliert [26] [27]. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass die sehr strenge Handhabung der Zertifikate einen zusätzlichen diagnostischen Gewinn bringt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in den nationalen und internationalen Ultraschallgesellschaften große Fortschritte erzielt wurden, was die Etablierung von formalen Ultraschallkursen und notwendigen Untersuchungszahlen anbelangt. Dagegen besteht großer Bedarf, die praktische Weiterbildung zu regeln. Da diese an den Weiterbildungsstätten umgesetzt werden muss, die Spitäler aber zunehmend dem Kostendruck und personellen Engpässen ausgesetzt sind, besteht die Gefahr, dass in nicht so ferner Zukunft ein Nachwuchsproblem resultieren wird.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die praktische Grundausbildung verbesserungsbedürftig ist. Ein wichtiger Schritt hierfür ist die Etablierung und Einhaltung der Supervision in der Weiterbildung. Auch aus juristischen Gründen ist ein gewisser Druck zur Umsetzung der Supervisionsaufgaben, entsprechend dem Reglement und Geist der Auflagen, zu erwarten. Profitieren können hierbei die Weiterzubildenden, die Qualität des Ultraschalls und natürlich die Patientinnen und Patienten.

Einstein soll einmal gesagt haben: „Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt“. Wissen kann aber weiterentwickelt und vergrößert werden. In diesem Sinne bleibt zu wünschen, dass alle in die Weiterbildung eingebundenen Institutionen genügend Bereitschaft aber auch Ressourcen mitbringen, um die fachspezifische Weiterbildung in Ultraschall auch in einem praktischen Lehrprogramm zu standardisieren.

S. Tercanli

K. A. Jaeger

Literatur

  • 1 Polanyi M. Implizites Wissen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag; 1985
  • 2 Becker M. Personalentwicklung. Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis. 5. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag; 2009
  • 3 Albrecht T, Blomley M, Bolondi L et al. Guidelines for the Use of Contrast Agents in Ultrasound – January 2004.  Ultraschall in Med. 2004;  25 249-256
  • 4 Claudon M, Cosgrove D, Albrecht T et al. Guidelines and Good Clinical Practice Recommendations for Contrast Enhanced Ultrasound (CEUS) – Update 2008.  Ultraschall in Med. 2008;  29 28-44
  • 5 Jaeger K A. Do we need new guidelines?.  Ultraschall in Med. 2008;  29 24-27
  • 6 Dietrich C F. The EFSUMB and WFUMB Guidelines and Recommendations on the Clinical Practice of Contrast Enhanced Ultrasound (CEUS). Update 2011 on Hepatic (EFSUMB and WFUMB) and Non-hepatic Applications (EFSUMB).  Ultraschall in Med. 2011;  32 524
  • 7 Seitz K. EFSUMB-Guidelines für CEUS sind wegweisend und erfolgreich (EFSUMB-Guidelines for CEUS are Directive and Effective).  Ultraschall in Med. 2010;  31 225-227
  • 8 http://www.efsumb.org
  • 9 Celebi N, Zwirner K, Lischner U et al. Student Tutors Are Able to Teach Basic Sonographic Anatomy Effectively – A Prospective Randomized Controlled Trial.  Ultraschall in Med. 2010;  31 (dieses Heft)
  • 10 Merz E, Abramovicz J, Baba K et al. Timor-Tritsch 3D imaging of the fetal face – Recommendations from the International 3D Focus Group.  Ultraschall in Med. 2010;  31 (dieses Heft)
  • 11 Sporea I, Sirli R L, Deleanu A et al. What Did We Learn from the First 3,459 Cases of Liver Stiffness Measurement by Transient Elastography (FibroScan®)?.  Ultraschall in Med. 2011;  32 40-45
  • 12 Hofer M, Kamper L, Sadlo M et al. Evaluation of an OSCE Assessment Tool for Abdominal Ultrasound Courses.  Ultraschall in Med. 2011;  32 184-190
  • 13 Eyding J, Geier B, Staub D. Current Strategies and Possible Perspectives of Ultrasonic Risk Stratification of Ischemic Stroke in Internal Carotid Artery Disease.  ltraschall in Med. 2011;  32 267-273
  • 14 Hagen A, Entezami M, Gasiorek-Wiens A et al. The Impact of First Trimester Screening and Early Fetal Anomaly Scan on Invasive Testing Rates in Women with Advanced Maternal Age.  Ultraschall in Med. 2011;  32 302-306
  • 15 Jaeger K A, Uthoff H. Gibt es noch eine Indikation zur Duplex-Sonografie der Nierenarterien? Is There Still a Place for Renal Artery Duplex Scanning?.  Ultraschall in Med. 2010;  31 339-343
  • 16 Arning C, Widder B, Reutern G M et al. Revison of DEGUM Ultrasound Criteria for Grading Internal Carotid Artery Stenoses and Transfer to NASCET Measurement.  Ultraschall in Med. 2010;  31 251-257
  • 17 Gembruch von U, Merz E. Standardization of Ultrasound Diagnostics in Gynecology.  Ultraschall in Med. 2011;  32 339-341
  • 18 Manegold G, Tercanli S, Struben H et al. Is a Routine Ultrasound in the Third Trimester Justified? – Additional Fetal Anomalies Diagnosed After Two Previous Unremarkable Ultrasound Examinations.  Ultraschall in Med. 2011;  32 381-386
  • 19 Grab D, Merz E, Prömpeler H et al. Standards for Ultrasound in Gynecology.  Ultraschall in Med. 2011;  32 415-417
  • 20 Hanks D R. Implicit learning. In: Lamberts K, Goldstone R L, (Hrsg) Handbook of Cognition.. London: Sage Verlag; 2005: 202-220
  • 21 SIWF | ISFM . | siwf@fmh.ch | http://www.siwf.ch
  • 22 Salvesen K A, Lees C, Tutschek B. Basic European ultrasound training in obstetrics and gynecology: where are we and where do we go from here?.  Ultrasound Obstet Gynecol. 2010;  36 525-529
  • 23 Fergal D. Malone, MD Nuchal Translucency-Based Down Syndrome Screening: Barriers to Implementation.  Semin Perinatol. 2005;  29 272-276
  • 24 Merz E. First Trimester Screening – a New Algorithm for Risk Calculation of Chromosomal Anomalies Developed by FMF Germany.  Ultraschall in Med. 2007;  28 270-272
  • 25 Frey Tirri B, Troeger C, Holzgreve W et al. Quality management of nuchal translucency measurement in residents.  Ultraschall in Med. 2007;  28 484-488
  • 26 http://www.fetalmedicine.com
  • 27 http://www.fmf-deutschland.info/de

Prof. Servi Tercanli

Universitätsspital Basel
Frauenklinik

Spitalstrasse 21

4031 Basel, Schweiz

Email: stercanli@uhbs.ch

    >