Psychiatr Prax 2012; 39(02): 95-97
DOI: 10.1055/s-0032-1305969
Szene
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Plagiate in wissenschaftlichen Zeitschriften

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Publikationsdatum:
09. März 2012 (online)

 

Dieses Thema stand schon auf der Tagesordnung, bevor politische Ereignisse es in Deutschland in ein breites öffentliches Bewusstsein rückten. Die Abhängigkeit wissenschaftlicher Karrieren vom regelmäßigen Publikationserfolg ("publish or perish") und die leichte Zugänglichkeit von vielen Texten über das Internet mit der Verführung zu "copy and paste", insbesondere bei fremdsprachigen Texten, dürften die Versuchung gesteigert haben. Einiges Aufsehen erregte eine Publikation in Science von 2009, in der die Autoren mit der Software eTBLAST und Déjà vu [ 1 ] 212 Artikel mit Plagiatsverdacht entdeckten, wobei sie allerdings 9120 Artikel persönlich prüfen mussten, die das Programm detektiert hatte [ 2 ]. Der Text war bei den Duplikaten zu durchschnittlich 86% identisch mit dem Original, die Literaturverzeichnisse zu durchschnittlich 73%. In den Plagiaten fanden sich außerdem in 42% unkorrekte Berechnungen oder reproduzierte oder manipulierte Fotografien. Die Plagiate wurden in Journals mit durchschnittlich niedrigerem Impact Factor publiziert, aber zunehmend häufiger zitiert, weil die meisten Autoren in Pub Med nach Literatur recherchieren, wo die neuesten Arbeiten zuerst aufgelistet sind und die Plagiate deshalb immer vor dem Original erscheinen. Die Autoren der Arbeit in Science schrieben sämtliche Autoren der Originalarbeiten und der Plagiate und die Journal-Herausgeber an. Die Antworten der Plagiat-Autoren reichten von Schuldbekenntnissen über Mitteilungen, sie seien als Ko-Autor nicht bei der Abfassung des Manuskripts beteiligt gewesen bis hin zu Mitteilungen in immerhin 17%, sie seien sich nicht bewusst gewesen, überhaupt als Ko-Autor in diesem Manuskript genannt zu sein.

Wie bei der Problematik des Dopings im Sport haben die zunehmend besseren verfügbaren technischen Mittel zu einer Art Wettrüsten zwischen Delinquenten und ihren Verfolgern geführt. Auch die Herausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften sind ebenso wie die Betreuer von Dissertationen gefordert, sich mit der Problematik der Erkennung von Plagiaten auseinanderzusetzen. Es wird geschätzt, dass allein in der Datenbank Medline jährlich 3000 neue Publikationen erscheinen, die Abschnitten in früher publizierten Manuskripten hochgradig ähneln [ 2 ]. Ob es sich dabei um Duplikate früherer Publikationen derselben Autoren oder eigentliche Plagiate handelt, muss in jedem Fall einzeln geprüft werden. Auf jeden Fall haben Plagiate im klinischen Bereich schädliche Auswirkungen: Es können falsche Therapieempfehlungen resultieren, Herausgeber und Gutachter verschwenden ihre Zeit mit den betreffenden Manuskripten und die Vertrauenswürdigkeit von Wissenschaft und Medizin wird in der Öffentlichkeit kritisch zur Diskussion gestellt.

Inzwischen ist eineWettbewerbssituation nicht nur bei karriereorientierten Autoren, sondern auch auf der anderen Seite, nämlich bei Software zur Erkennung von Plagiaten entstanden. Derzeit sind dem Letztautor der oben genannten Arbeit in Science, Harold Garner, zufolge sechs unterschiedliche Softwareprogramme verfügbar, teils frei im Internet, teils gegen pauschale oder fallbezogene Gebühren ( Tab. [ 1 ]). Diese Tabelle wurde übrigens aus einer im Internet frei zugänglichen Publikation [ 3 ] kopiert und mit nur geringfügigen Modifikationen übersetzt. Ob es sich dabei, wenn diese Offenbarung nicht erfolgt wäre, um ein reines Plagiat oder (durch die Übersetzung) schon wieder um eine bis zu einem gewissen Grade eigenständige Arbeit handelte, ist ein typischer Grenzfall, der die Schwierigkeit der Problematik verdeutlichen mag.

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Tab. 1 Plagiatserkennungsdienste1

Ein weiteres Problem ist, dass Dinge, die andere publiziert haben, keineswegs richtig zu sein brauchen und der Autor des Plagiats meistens darauf verzichtet, die Richtigkeit von Daten oder vorliegenden Informationen zu prüfen. Im Falle der Plagiatssoftware ist die Zahl der Angebote in Wirklichkeit bereits sehr viel größer. Das kann man den Mitteilungen der deutschen Plagiatsexpertin Debora Weber-Wulff entnehmen [ 4 ], deren Publikationen auch die Behauptung Garners von 2011 [ 3 ] widerlegen, ein direkter Headto-Head-Vergleich verschiedender Systeme bezüglich der Leistungsfähigkeit liege bisher noch nicht vor. Weber-Wulff bezeichnet fast alle Angebote allerdings als "nicht nützlich" oder allenfalls "begrenzt nützlich".