Handchir Mikrochir Plast Chir 2012; 44(02): 112-117
DOI: 10.1055/s-0032-1306362
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fallpauschalenentwicklung in der rekonstruktiven Mammachirurgie

Development of DRGs in Reconstructive Breast Surgery
O. Lotter
1   Klinik für Hand-, Plastische Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen; Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik
,
A. Amr
1   Klinik für Hand-, Plastische Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen; Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik
,
P. Jaminet
1   Klinik für Hand-, Plastische Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen; Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik
,
S. Hoefert
2     Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie; Eberhard-Karls-Universität Tübingen
,
H.-E. Schaller
1   Klinik für Hand-, Plastische Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen; Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik
,
S. Stahl
1   Klinik für Hand-, Plastische Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen; Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

eingereicht 10 February 2012

akzeptiert 27 February 2012

Publication Date:
11 April 2012 (online)

Zusammenfassung

Diagnosis-Related Group (DRG) wird seit 2004 als medizinisch-ökonomisches Klassifikationssystem in Deutschland verwendet. Wir untersuchten die rekonstruktive Chirurgie nach Mammakarzinom auf Veränderungen im Fallpauschalensystem in den letzten 6 Jahren. Anhand von Daten der Kalkulationskrankenhäuser wurden ein- bzw. zweizeitige gestielte und freie Lappenplastiken sowie die Rekonstruktion durch alloplastisches Material hinsichtlich deren Verweildauern, Erlöse, Kosten und Gewinne analysiert. Die größten Gewinnmargen ergeben sich bei den freien Perforatorlappenplastiken, welche in den letzten Jahren rund dreimal höher als bei der alloplastischen Rekonstruktion und den gestielten Lappen liegen. Erstmalig wurde die Teurerungsrate berücksichtigt, da die der Erlösberechnung zugrundeliegenden Kostendaten in der Vergangenheit liegen. Trotz durchschnittlich steigender Gewinne blieben inflationsbedingte entgangene Gewinne von bis zu 574 € pro Fall unberücksichtigt. Entgegen den aktuellen medizinischen Leitlinien werden weder die einzeitige Rekonstruktion der Brust mittels Eigengewebe noch der beidseitige Wiederaufbau erlöstechnisch berücksichtigt. Zwar ist eine differenziertere Fallpauschalenabbildung im Zeitverlauf ­aufgetreten, die rekonstruktive Mammachirurgie bleibt jedoch ein klassisches Beispiel dafür, dass medizinische Standards nicht oder nur zögerlich abgebildet werden. Da die Wahl des operativen Vorgehens zunehmend durch freie Marktmechanismen beeinflusst wird, besteht somit eine hohe Gefahr der ökonomischen Selektion im Widerspruch zu klinischen Empfehlungen. Das deutsche Fallpauschalensystem kann nunmehr 9 Jahre nach dessen Einführung deshalb kaum als lernendes oder schnell anpassungsfähiges System bezeichnet werden.

Abstract

Diagnosis-Related Groups (DRG) were introduced in Germany in 2004 as a medico-economic classification system. In this analysis, we looked at reconstructive surgery after breast cancer, focusing on changes of the fee-per-case system in the last 6 years. Immediate, delayed, pedicle and free flaps as well as alloplastic reconstructive methods were analysed using data from German reference hospitals. We analysed the length of stay, reimbursements, costs and profits. The biggest profit margin was found in free perforator flaps. These were up to 3 times higher than in alloplastic reconstruction and pedicle flaps. Due to the fact that the underlying costs for the calculation of reimbursement are always retrospective, we accounted for the rate of price increase. In spite of increasing mean profits, foregone profits of up to € 574 per case due to inflation were not taken into consideration. Contrary to actual guidelines, neither the immediate reconstruction of the breast by autologous tissue, nor the bilateral reconstruction is taken into account economically. Although a more differentiated reimbursement of breast reconstruction by DRG has taken place in the last years, the subject still remains a classical example for insufficient mapping of new medical standards in our DRG system. As the choice of surgical therapy is increasingly influenced by free market mechanisms, the risk for economic selection in contradiction to clinical recommendations becomes a real problem. Even 9 years after its introduction, the German DRG system is far from being a learning or quick adapting system.