Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2012; 47(5): 285
DOI: 10.1055/s-0032-1313566
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Epiduralanästhesie / -analgesie: Noch viele Anstrengungen sind erforderlich, um schwere Schicksale zu vermeiden!

Hugo K Van Aken
,
René Waurick
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
24. Mai 2012 (online)

Ihre überlegene analgetische Effektivität hat die Epiduralanalgesie zum Goldstandard bei großen thorakalen und abdominellen Eingriffen werden lassen. Das Verfahren

  • vermindert zudem die kardiale Morbidität und Mortalität,

  • verbessert die postoperative Lungenfunktion,

  • verkürzt die Beatmungsdauer,

  • steigert die Darmmotilität,

  • verbessert die Gewebeoxygenierung und

  • vermindert die postoperative Insulinresistenz.

Darüber hinaus gibt es vermehrt Hinweise, dass die Epiduralanalgesie die Inzidenz von Tumorrezidiven reduzieren kann [1] [2].

Den Vorteilen der Epiduralanalgesie stehen schwerwiegende neurologische Komplikationen wie rückenmarksnahe Hämatome und Abszesse, Meningitiden sowie direkte traumatische Rückenmarksverletzungen gegenüber. Diese können im schlimmsten Fall zu einer permanenten Querschnittslähmung führen – eine Katastrophe für den betroffenen Patienten [3]. Dennoch werden in der individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung in der Regel die Vorteile des Verfahrens gegenüber den Risiken überwiegen.

Diese Vorteile entbinden uns Anästhesisten jedoch nicht davon, in jeder Klinik, in der dieses Verfahren angewendet wird, Organisationsstrukturen zu schaffen, welche die Überwachung und Behandlung unserer Patienten hinsichtlich neu auftretender neurologischer Ausfälle sicherstellen. Neben regelmäßigen Visiten des Akutschmerzdienstes gehört dazu auch die wiederholte Schulung des Pflegepersonals auf den Stationen.

Da das neurologische Outcome vom Zeitintervall zwischen Symptombeginn und Therapie abhängt, darf die Diagnostik keinesfalls verzögert werden.

  • Es müssen bereits im Vorfeld Algorithmen zwischen den Leitenden Ärzten der Anästhesiologie, Radiologie und Neurochirurgie vereinbart und als Verfahrensanweisungen für alle beteiligten Mitarbeiter verbindlich gemacht werden.

Sofern keine Neurochirurgie im Haus vorhanden ist, kann die Absprache über die Laminektomie als Notfalleingriff auch mit der Orthopädie /Unfallchirurgie getroffen werden [4].

Als Klinik, in der die Epiduralanalgesie einen klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunkt darstellt, werden wir regelmäßig mit Gutachten beauftragt, in denen es um die zivil- oder strafrechtliche Bewertung neurologischer Komplikationen nach rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren geht. Als Gutachter mussten wir in den vergangenen Jahren feststellen, dass fast alle Fälle einer permanenten Querschnittslähmung auf nicht nachvollziehbare zeitliche Verzögerungen in der Diagnostik und / oder Therapie der zugrundeliegenden Rückenmarkskompression zurückzuführen waren.

  • Das individuelle Versagen der beteiligten Mitarbeiter fiel regelmäßig zusammen mit ungenügenden Vorsorgemaßnahmen und dem Fehlen klinikinterner Verfahrensanweisungen.

Bitte nehmen Sie den Artikel über „Neurologische Komplikationen durch die Epiduralanalgesie“ (S. 336) zum Anlass, in Ihrer eigenen Klinik zu prüfen, ob bereits die organisatorischen Rahmenbedingungen geschaffen sind, Patienten mit rückenmarksnahen Regionalanästhesieverfahren und neu aufgetretenen neurologischen Ausfällen so früh als möglich zu identifizieren und so schnell als möglich einer Diagnostik durch eine MRT (falls nicht möglich: CT-Myelografie) sowie ggf. einer operativen Therapie zuzuführen. Für die Patienten und Sie selbst.

Hugo K. Van Aken

René Waurick

Herausgeber

T. Hachenberg, Magdeburg

W. Koppert, Hannover

C. Krier, Stuttgart

G. Marx, Aachen

N. Roewer, Würzburg

J. Scholz, Kiel

C. Spies, Berlin

H. Van Aken, Münster

H. Wulf, Marburg

K. Zacharowski, Frankfurt/Main

Experten-Panel

B. Bein, Kiel

E. Biermann, Nürnberg

J. Biscoping, Karlsruhe

B. Böttiger, Köln

H. Bürkle, Freiburg

B. Dirks, Ulm

V. von Dossow, München

L. Eberhart, Marburg

U. Ebmeyer, Magdeburg

M. Fischer, Göppingen

G. Geldner, Ludwigsburg

W. Gogarten, München

J. Graf, Frankfurt/Main

S. Grond, Detmold

U. Kaisers, Leipzig

C. Kill, Marburg

U. Klein, Nordhausen

S. Kozek-Langenecker, Wien

P. Kranke, Würzburg

L. Lampl, Ulm

J. Martin, Göppingen

A. Meißner, Soest

J. Pfeff erkorn, Stuttgart

M. Schäfer, Berlin

T. Schnider, St. Gallen

T. Schürholz, Aachen

U. Schwemmer, Neumarkt

T. Standl, Solingen

F. Stüber, Bern

R. Sümpelmann, Hannover

M. Tramèr, Genf

K. Ulsenheimer, München

T. Volk, Homburg/Saar

A. Walther, Stuttgart

F. Wappler, Köln

E. Weis, Nürnberg

Organschaften

Deutsche Gesellschaft

für Anästhesiologie und Intensiv medizin

Österreichische Gesellschaft für

Anaesthesiologie, Reanimation und

Intensivmedizin

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Ergänzendes Material

 
  • Literaturverzeichnis

  • 1 Freise H, Van Aken HK. Risks and benefits of thoracic epidural anaesthesia. Br J Anaesth 2011; 107: 859-868
  • 2 Cummings KC, Xu F, Cummings LC, Cooper GS. A comparison of epidural analgesia and traditional pain management effects on survival and cancer recurrence after colectomy. Anesthesiology 2012; 116: 797-806
  • 3 Volk T, Wolf A, Van Aken HK et al. Incidence of spinal haematoma after epidural puncture: analysis from the German network for safety in regional anaesthesia. Eur J Anaesthesiol 2012; 29: 170-176
  • 4 Pogatzki-Zahn EM, Wenk M, Wassmann H et al. Postoperative Akutschmerztherapie – Schwere Komplikationen durch Regionalanalgesieverfahren – Symptome, Diagnose und Therapie. AINS 2007; 42: 42-52