Allgemeine Homöopathische Zeitung 2013; 258(1): 14-15
DOI: 10.1055/s-0032-1314736
Repertorium
© Karl F. Haug Verlag MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Hypochondrie – Die eingebildete Krankheit

Serie: Das Repertorium verstehen
Gerhard Bleul unter Mitarbeit von Barbara Mutschler und Patricia Nischwitz
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Publication Date:
11 March 2013 (online)

Herkunft und Bedeutung des Wortes

Das Hypochondrium ist die Region unter (hypo) dem Zwerchfell (chondros = Knorpel, Brustknorpel).

Rechts liegt die Leber, links die Milz. Die 4-Säfte-Lehre von Galen erklärt Krankheiten durch die falsche Mischung (Dyskrasie) der Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle. Vier Qualitäten sind diesen Säften zugeordnet: warm und feucht, kalt und feucht, warm und trocken sowie kalt und trocken. Eine Krankheit der Milz führe zu einer Verdickung der Galle und damit verbunden zu einer „schwermüthigen, grämlichen Gemüthsstimmung“ [5].

„Milzsucht“ (Siechtum der Milz) war noch im 18. und 19. Jahrhundert eine Bezeichnung für eine seelische Verstimmung, die wir heute als Depression bezeichnen würden und wurde von manchen Autoren synonym für Hypochondrie gebraucht [3].

Milzsucht

Die Milzsucht, plur. car. die Hypochondrie, S. Milzbeschwerung. Daher milzsüchtig, mit der Hypochondrie behaftet, in derselben gegründet, hypochondrisch. [1]

Eine Krankheit der Milz, welche Verdickung der Galle und Stockungen derselben in den Lebergängen zur Folge hat, die mit einer schwermüthigen, grämlichen Gemüthsstimmung verbunden sind. [5]

Der „Spleen“ ist das englische Wort für Milz und bezeichnet ursprünglich eine schlechte Laune, hat aber später die Bedeutung von Verrücktheit, Schrulle, Marotte bekommen.

Der Hypochonder ist also ein Mensch, dessen Krankheit im linken Oberbauch sitzt und Melancholie (von schwarzer Galle herrührend) heißt. Auch hier hat sich die Bedeutung schon im 19. Jahrhundert gewandelt zur eingebildeten Krankheit. Hahnemann beschreibt ein Symptom von Calcarea carbonica (CK 2, S. 308): „Sie hält hypochondrisch, sich für sterbenskrank.“

Hypochondrie

Bezeichnung für die gestörte psychische Einstellung eines Menschen zum eigenen Körper, insbesondere durch übertriebene Neigung beständig seinen Gesundheitszustand zu beachten. Hypochondrie wird oft von zwanghafter Angst vor Erkrankung oder der Einbildung des Erkranktseins (Hypochondria sine materia) oder Überbewertung tatsächlich vorhandener Beschwerden (Hypochondria cum materia) begleitet. Hypochondrische Tendenzen findet man bei emotional labilen und introvertierten Persönlichkeiten. Symptomatisch tritt Hypochondrie bei Neurosen und Psychosen auf. Hergeleitet von der in der antiken Medizin gebräuchlichen Bezeichnung für den oberen Teil der Bauchhöhle. Galen hat H. erstmals als Krankheitsbezeichnung für den leichtesten Grad des Irreseins in Form einer mäßigen Melancholie verwendet. Seine Definition hielt sich in ihren Grundzügen bis ins 19. Jh. Kraepelin 1896: Teilerscheinung des Neurasthenischen Irreseins. Freud 1914: narzisstische Neurose, bei der es durch ein zurückziehen der Libidopositionen auf die eigene Person zur „Stauung der Ichlibido“ kommt, die als unlustvoll empfunden wird. [6]

Eingebildetes od. übertriebenes Kranksein (bzw. Furcht vor Erkrankung) mit fortwährender Selbstbeobachtung und seelischer Niedergeschlagenheit. [2]