Sportverletz Sportschaden 2012; 26(02): 70
DOI: 10.1055/s-0032-1316398
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Physiologie – Heterozygote Sichelzellenanämie erhöht Risiko für Überlastungstod

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Publication Date:
12 June 2012 (online)

Die heterozygote Sichelzellenanämie gilt als benigne im Alltag. Dennoch steht sie im begründeten Verdacht, für den Tod einiger amerikanischer Footballspieler verantwortlich zu sein. Kimberly G. Harmon et al. haben aktuell das relative Risiko untersucht, mit dem heterozygote Träger des defekten Hämoglobin-Gens einen anstrengungsbedingten Tod erleiden.
Br J Sports Med 2012; 46: 325–330

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Digital colorierte Rasterelektronenmikroskopie normaler Erythrozyten und einer Sichelzelle (links). Sichelzellanämien setzen sich aus einer Gruppe von vererbten Dysfunktionen des Hämoglobins zusammen. Sie sorgen dafür, dass das Hämoglobin im desoxygenierten Zustand zu starren linearen Strängen polymerisiert. In der Folge wird die Blutzelle hart und sichelförmig. Wenn die Sichelzellen kleine Gefäße passieren, können sie stecken bleiben und den Blutfluss behindern. Heterozygote Träger des Gens HbS besitzen ebenfalls ein gesundes HbA-Gen und bilden demnach auch normales Hämoglobin. Bei ihnen kommt es nur unter starkem Sauerstoffmangel dazu, dass die Erythrozyten eine Sichel bilden und unter Umständen die Organdurchblutung behindern. So können Symptome auftreten, wenn die Patienten körperlich stark aktiv sind oder sich in großen Höhen befinden.(Bild:© Janice Haney Carr/CDC)

Die Basis der amerikanischen Studie bildete die National Collegiate Athletic Association (NCAA) und damit eine Gesamtheit von 1 969 663 Athletenjahren aus den Jahren Januar 2004 bis Dezember 2008. Die Autoren analysierten die Ursachen von insgesamt 273 Todesfällen und eine eventuell vorhandene heterozygote Sichelzellenanämie des betroffenen Athleten. Von einer heterozygoten Sichelzellenanämie oder Trägerschaft spricht man dann, wenn eine Person sowohl über ein gesundes als auch über ein Sichelzellen-Hämoglobin-Gen (HbS) verfügt.

Von allen Todesfällen standen 5 (2 %) in Zusammenhang mit einer heterozygoten Sichelzellenanämie. Alle gehörten den Football-Spielern an, bei denen es zu insgesamt 72 (26 %) Todesfällen gekommen war. Von diesen waren 52 (72 %) durch Traumata verursacht worden, die in keinem Zusammenhang mit dem Sport standen, 20 (28 %) hatten medizinische Ursachen. Von diesen 20 waren 9 Tode kardial bedingt (45 %), und die 5, die mit einer Sichelzellen-Trägerschaft assoziiert waren, machten 25 % der medizinischen Todesursachen unter den Footballspielern aus.

Dreizehn der 20 medizinisch begründeten Todesfälle sowie alle Sichellzell-assoziierten Tode ereigneten sich während einer Phase starker körperlicher Anstrengung. Bei allen Todesfällen, die in einer Sichelzellenträgerschaft begründet waren, handelte es sich um afroamerikanische Footballspieler der 1. Division, alle Ereignisse traten während des Trainings- oder Konditionstrainings auf. Das Risiko für Footballspieler der 1. Division, einen anstrengungsbedingten Tod zu erleiden, war für Sichelzellenträger bei 1:827, was 37mal über dem Risiko von Athleten ohne eine solche Trägerschaft liegt.

Fazit

Das Risiko eines belastungsbedingten Todes bei Athleten mit einer heterozygoten Sichelzellenträgerschaft übertreffe die bisherigen Annahmen, so die Autoren. Weitere Studien müssten sich nun der Pathophysiologie widmen und bewerten, ob ein Screening der Risikopopulationen die Mortalität reduziert.

Britta Brudermanns, Köln