Ultraschall Med 2012; 33 - A1001
DOI: 10.1055/s-0032-1322744

Sonographische Frakturdiagnostik im Kindesalter – eine sichere Alternative zum konventionellen Röntgen

K Eckert 1, O Ackermann 2, E Radeloff 1, P Liedgens 1
  • 1Elisabeth-Krankenhaus Essen, Klinik für Kinderchirurgie
  • 2Klinikum Duisburg, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie

eckert.kolja@me.com

Ziel:

Anhand eigener Studienergebnisse werden die Ultraschalldiagnostik distaler Unterarm-, subkapitaler Humerus- und Ellenbogenfrakturen im Kindesalter dargestellt. Anhand zusätzlicher Fallbeispiele wird weiterhin der sinnvolle Einsatz des Ultraschalls (US) in der Diagnostik kindlicher Klavikulafrakturen, Kalottenfrakturen und auch Frakturen der unteren Extremität dargestellt.

Einführung:

Unfälle bzw. deren Folgen sind ein häufiger Vorstellungsgrund in kinderchirurgischen Notaufnahmen. Der Nachweis bzw. Ausschluss einer Fraktur zumeist der Extremitätenknochen spielt dabei eine wesentliche Rolle. Hierfür ist das Röntgen bislang die bildgebende Methode der Wahl. Die Indikation zur Anwendung diagnostischer Röntgenstrahlung bei Kindern ist jedoch aufgrund einer erhöhten Strahlensensibilität besonders streng zu stellen. Zudem gestaltet sich die Untersuchung verletzter Kinder jedoch häufig schwierig, so dass es oft trotz klinischer Erfahrung nicht gelingt, den genauen Schmerzort zu ermitteln. Das Kind schont teilweise die betroffene Extremität komplett, so dass im ungünstigsten Fall die gesamte Extremität geröntgt wird. Daraus resultiert jedoch eine große Diskrepanz zwischen der Anzahl der durchgeführten Röntgenuntersuchungen und der Anzahl der damit entdeckten Frakturen. Die Etablierung einer alternativen bildgebenden Methode erscheint somit sinnvoll, um eine unnötige Exposition gegenüber diagnostischer Röntgenstrahlung im Kindesalter zu verringern.

Der US als diagnostische Alternative (Patienten und Methode):

Der US ist zwar bisher kein etabliertes Verfahren in der Frakturdiagnostik, in der Literatur finden sich jedoch bereits zahlreiche Studien, die zeigen, dass der US im Frakturnachweis nicht nur vergleichbar sensitiv zum Röntgen ist, sondern auch in der Diagnose von Frakturtyp und -stellung gleichwertig ist. Zahlreiche Publikationen belegen bereits die sichere US-Diagnostik distaler Unterarmfrakturen im Kindesalter. Wir führen alle Ultraschalluntersuchungen mit einem hochauflösenden, 5,5cm breiten Linear-Schallkopf durch. Der Pat. kann hierzu nach seinem Belieben gelagert werden. Da die US-Untersuchung vom Erstuntersucher als Fortführung der klinischen Untersuchung durchgeführt wird, ist kein Wechsel des Untersuchungsraums notwendig, was sowohl von Patienten als auch Eltern durchaus positiv bewertet wird. In unserer prospektiven Studie mit einem Kollektiv von 115 Patienten (Alter 2–14 Jahre) konnten wir für die sonographische Diagnostik distaler Unterarmfrakturen eine Sensitivität von 94,9% und eine Spezifität von 98% im Vergleich zum Röntgen erreichen. Zwar besteht bei distalen Unterarmfrakturen im Kindesalter ein hohes spontanes Korrekturpotential. Aber oberhalb der altersentsprechenden Korrekturgrenzen ist eine operative Reposition und ggf. Osteosynthese notwendig. Daher besteht eine besondere Herausforderung an die Sonografie in der adäquaten Abschätzung des Dislokationsausmasses. Im Rahmen unserer Studie konnten wir mit einer mittleren Differenz von nur 1,7° (SD 1,6°) zwischen den sonographisch und radiologisch ermitteltenWerten eine adäquate Abschätzung der Achsabweichung erreichen. Der Zeitaufwand für die sonographische Untersuchung des distalen Unterarms beträgt etwa 2–3 Minuten und beschleunigt somit das gesamte diagnostische Verfahren deutlich.

Subkapitale Humerusfrakturen lassen sich sonographisch ebenfalls gut darstellen. In einer prospektiven Studie mit einem Kollektiv von 33 Patienten (Alter 0–12 Jahre) konnten wir für die sonographische Diagnostik eine Sensitivität von 94% und Spezifität von 100% im Vergleich zum Röntgen erreichen. Zudem ermöglicht der US eine überlagerungsfreie Darstellung des Humerus und scheint in der Dislokationsbestimmung dem Röntgen überlegen zu sein. Denn röntgenologisch ist die Einstellung einer exakt seitlichen Ebene schwierig, so dass eine Achsbestimmung durch Überlagerung entweder mit der Skapula oder Thoraxwand deutlich erschwert ist und das Dislokationsausmass somit röntgenologisch unterschätzt werden kann. Suprakondyläre Humerusfrakturen sind häufige Frakturen des Ellenbogens und lassen sich v.a. im Kleinkindalter radiologisch teilweise schwer beurteilen. Okkulte Frakturen können im Röntgen teilweise nur anhand eines sogenannten positiven Fettkörperzeichens (Hämarthros) identifiziert werden. Das positive Fettkörperzeichen ist Folge eines Gelenksergusses und in den seitlichen Rö-Ebenen des Ellenbogens ventral und dorsal als flaue Aufhellung sichtbar. Vor allem das positive dorsale Fettkörperzeichen ist immer als indirektes Frakturzeichen und Indikator für eine intraartikuläre Fraktur zu werten. Sonographisch lässt sich dieses Fettkörperzeichen sowohl ventral als auch dorsal äusserst sensitiv nachweisen. Das sonographische Fehlen eines positiven Fettkörperzeichens schließt eine intraartikuläre Fraktur des Ellenbogengelenkes aus. Wir konnten bislang 107 Patienten mit dem klinischen V.a. eine suprakondyläre Humerusfraktur prospektiv vergleichend sonographisch und röntgenologisch untersuchen. Für die US-Diagnostik konnten wir hierbei eine Sensitivität von 100% und eine Spezifität von 93,5% im Vergleich zum Röntgen erreichen. Auch eine ausreichend sichere Abschätzung der Frakturdislokation mit entsprechend therapeutischen Konsequenzen lässt sich analog zum Röntgen anhand der sogenannten Rogers-Linie abschätzen. Ausserdem lassen sich auch weitere Frakturen am Ellenbogengelenk (z.B. Condylus radialis-Fraktur, Epicondylus- ulnaris-Fraktur, Radiusköpfchen-Frakturen und Olekranon-Frakturen) sonographisch sicher darstellen. Anhand von Einzelfallbeispielen oder kleinerer Fallserien kann die sonographische Frakturdiagnostik auch für kindliche Klavikulafrakturen, Kalottenfrakturen oder auch Frakturen im Bereich der unteren Extremität belegt werden.

Schlussfolgerung/Summary:

Der US kann als vollwertiges alternatives bildgebendes Verfahren zu Röntgenaufnahmen in der pädiatrischen Frakturdiagnostik eingesetzt werden. V.a. bei unspezifischen klinischen Symptomen oder unklarer Schmerzlokalisation sollte primär sonografiert werden. Dadurch kann der klinisch fragliche Körperbereich eingegrenzt werden, um ggf. anschließend ein gezieltes Röntgen durchzuführen. V.a. bei sonographischem Frakturausschluss, aber auch bei nicht dislozierten oder nur gering dislozierten Frakturen innerhalb der Korrekturgrenzen kann auf zusätzliche Röntgenaufnahmen verzichtet werden. Der Ultraschall bietet den Vorteil einer strahlungsfreien und schmerzarmen Untersuchung. Die Sonografie ermöglicht die multiplanare und überlagerungsfreie Darstellung knöcherner Strukturen und des umgebenden Weichteilgewebes. V.a. im Kindesalter ermöglicht es auch die Darstellung knorpeliger Strukturen, die konventionell-radiologisch nicht zur Darstellung kommen. Bei sonographisch schwieriger Beurteilung ist aber auch die Möglichkeiten der Untersuchung der kontralateralen Seite gegeben (röntgenologisch obsolet), natürlich kann jederzeit, ohne großen Zeitverlust, eine Röntgenuntersuchung ergänzend durchgeführt werden. Aus unserer bisherigen Erfahrungen können wir eine hohe Akzeptanz für die Sonografie bei Patienten und Eltern feststellen. Durch den sinnvollen Einsatz der Sonografie in der Diagnostik von Frakturen lässt sich eine signifikante Senkung der medizinisch verursachten Strahlenexposition im Kindesalter erreichen, ohne dabei auf diagnostische Sicherheit verzichten zu müssen. Zukünftig wäre auch ein sonographisches Monitoring der Frakturheilung (Stellungskontrolle, Konsolidierungskontrolle) zu erwägen, hierzu existieren jedoch bislang nur wenige Publikationen.