Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A230
DOI: 10.1055/s-0032-1323393

Die Rolle von „fear-avoidance-beliefs“ bei der Vorhersage des Outcomes bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen nach stationärer Rehabilitation

MAM Nagl 1, E Farin-Glattacker 1
  • 1Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg

Hintergrund: Internationale Studien zeigen, dass „fear-avoidance-beliefs“ (FABs) einen wichtigen Chronifizierungsfaktor bei Rückenschmerz darstellen [1,2]. Ziel dieser Studie war es zu prüfen, ob FABs auch nach Adjustierung verschiedener möglicher Confounder einen bedeutsamen Einfluss auf das Behandlungsergebnis von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen nach stationärer Reha haben. Die Datenerhebung erfolgte im vom BMBF geförderten Projekt „Patientenorientierte Veränderungsmessung“. Methode: 189 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen wurden zu Reha-Beginn, Reha-Ende und 6 Monate nach Reha-Ende befragt. Das Outcome wurde mithilfe von SF–12, ODI und FESV erfasst, die FABs mit dem FABQ. Zur Datenanalyse führten wir eine Imputation und hierarchische Regressionsanalysen durch. Im ersten Schritt gingen die Eingangswerte der Ouctome-Variablen in das Modell ein, danach soziodemografische Variablen, medizinische Confounder, Variablen der Arzt-Patient-Beziehung und im letzten Schritt die FABs. Ergebnisse: Kurzfristig sind FABs ein signifikanter Prädiktor für 5 der 6 Outcome-Skalen. Höher ausgeprägte FABs gehen mit geringerem Outcome einher. FABs bezüglich körperlicher Aktivität sind dabei relevant für die körperliche Skala des SF–12 und den ODI, arbeitsbezogene FABs für die psychischen Beeinträchtigungsskalen des FESV. 6 Monate nach der Reha stellen arbeitsbezogene FABs einen signifikanten Prädiktor für 4 der 6 Outcomes dar. Diskussion: Trotz umfassender Adjustierung verschiedener möglicher Confounder zeigt sich kurz- und mittelfristig ein relevanter Einfluss von FABs auf physische und psychische Outcomevariablen [vgl. z.B. 3]. Sie stellen einen wichtigen Risikofaktor für geringere Effekte nach der Reha dar. Mittelfristig erscheinen arbeitsbezogene FABs bedeutsamer als FABs bezüglich körperlicher Aktivität. Interventionen in der Reha könnten von einer stärkeren Berücksichtigung der „fear-avoidance-beliefs“ profitieren.

Literatur: 1. Leeuw, M, Goossens, ME, Linton, SJ, et al. The Fear-Avoidance Model of Musculoskeletal Pain: Current State of Scientific Evidence. Journal of Behavioral Medicine 2006; 30:77-94

2. Vlaeyen, JW., Linton, SJ. Fear-avoidance and its consequences in chronic musculoskeletal pain: a state of the art. Pain 2000; 85:317–332

3. Keeley, P, Creed, F, Tomenson, B, et al. Psychosocial predictors of health-related quality of life and health service utilisation in people with chronic low back pain. Pain 2008; 135:142–150