Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A253
DOI: 10.1055/s-0032-1323416

Ein zahnmedizinisches Präventionsprogramm für Kinder mit erhöhtem Kariesrisiko – Outcome-Evaluation in verschiedenen Altersgruppen

K Pieper 1, K Weber 2, A Jablonski-Momeni 3, J Margraf-Stiksrud 4
  • 1Medizinisches Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, Abteilung Kinderzahnheilkunde, Marburg
  • 2Medizinisches Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, Abeteilung Kinderzahnheilkunde, Marburg
  • 3Medizinisches Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Marburg
  • 4Fachbereich Psychologie der Philipps Universität marburg, Marburg

Die Polarisierung des Kariesbefalls macht die Entwicklung einer Selektiven Intensivprophylaxe (SIP) für Kinder und Jugendliche aus bestimmten Settings notwendig. Im Landkreis Marburg-Biedenkopf wird seit 15 Jahren ein entsprechendes Programm in Kindergärten und Schulen angeboten, das neben den üblichen schulzahnärztlichen Untersuchungen gesundheitserzieherische Maßnahmen, wiederholtes Zahnputztraining und die Applikation eines Fluoridlacks (4x pro Jahr) umfasst.

Die Frage, ob sich die Intensivierung der präventiven Betreuung positiv auf die Mundgesundheit der beteiligten Kinder auswirkt, wurde im Vergleich zu einer Kontrollregion ohne Intensivprophylaxe auf der Basis von „matched pairs“ untersucht. Dabei wurde an Erst-, Viert- und Sechstklässlern die Karieserfahrung mit dem 6-stufigen ICDAS II System der Kariesdiagnose ermittelt, das auf einer Erfassung von Initial- (D1+2) und Dentinläsionen (D3–6) basiert. Außerdem wurde die Anzahl gefüllter Zahnflächen (FS) aufgezeichnet. Die statistische Analyse wurde mit SPSS 17.0 durchgeführt. Der Vergleich der Mittelwerte erfolgte mit dem Mann-Whitney U-Test (Signifikanzniveau α=0,05).

Der Effekt des Präventionsprogramms war umso stärker ausgeprägt, je länger die Kinder an der SIP teilgenommen hatten. Während sich die Erstklässler bezüglich der Karieserfahrung kaum unterschieden (d3–6mf-t Prüfgruppe: 3,12, Vergleichsgruppe: 3,28), ergaben sich signifikante Differenzen bei den Viert- und Sechstklässlern. Am Ende der Grundschulzeit betrug der mittlere D3–6MFT-Index der Prüfgruppe 0,69, der Wert der Vergleichsgruppe lag bei 0,94. Mit einem mittleren D3–6MFT-Index der Prüfgruppe von 0,88 und der Vergleichsgruppe von 1,73 zeigte sich bei den Jugendlichen in den 6. Klassen der größte Unterschied.

Die SIP im Rahmen des „Marburger Modells“ der Gruppenprophylaxe führt bei Kindern in sozial problematischen Settings zu einer deutlichen Karieshemmung, wobei relativ geringe Kosten anfallen.

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Abschlussbericht des BMBF-Projektes (FKZ: unter folgendem Link: http://www.knp-forschung.de/?uid=216881fcbd22eea27fa151e0ce5c2022&id=termine&sid=234

Das Vorhaben wurde im Rahmen des Präventionsförderschwerpunktes der Bundesregierung durch das BMBF gefördert (FKZ 01DE0617).