Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A318
DOI: 10.1055/s-0032-1323481

„Safer use“ als jugendgerechte Präventionsstrategie? – Abkehr vom Abstinenzpostulat und Entwicklungen des Alkoholkonsums bei Jugendlichen

W Settertobulte 1
  • 1GE-F-A-S Gesellschaft für angewandte Sozialforschung, Enger, NRW

Der Konsum alkoholischer Getränke ist Teil unserer Alltagskultur. Er gehört in der Welt der Erwachsenen zu vielen sozialen Gelegenheiten dazu und erfüllt zahlreiche Funktionen. Die Lebensphase Jugend ist–auch–geprägt von der Aufgabe, gesellschaftliche Konventionen auszuprobieren, zu reflektieren und ein eigenes Verhältnis dazu zu entwickeln. Bezüglich Alkohol ist das Erlernen eines mäßigen verantwortungsbewussten Konsumverhaltens das optimale Entwicklungsziel. Die meisten jungen Menschen entwickeln, trotz einschlägiger Trunkenheitserfahrungen, kein Alkoholproblem. Anders fällt die Prognose aus, wenn es zu psychischen oder sozialen Problemstellungen in der Jugendphase kommt und Alkohol konsumiert wird, um mit problematischen Lebenssituationen fertig zu werden. Je früher im Lebenslauf dies auftritt, umso größer ist das Risiko für körperliche und psychische Abhängigkeit. Bevölkerungsbezogene Surveystudien zeigen, dass der Alkoholkonsum allgemein zurückgeht, auch bei Jugendlichen. Gleichzeitig machen aber Jugendliche heute ihre ersten Erfahrungen mit Alkohol und Rausch früher als je zuvor. Zum früheren Einstieg kommt eine Veränderung des Trinkstils hinzu. Innerhalb kurzer Zeit werden große Mengen Alkoholika getrunken, meist Spirituosen, oft mit dem expliziten Ziel, sich möglichst schnell in einen tiefen Rausch zu versetzen. Hier wird der Alkohol von der Genussfunktion weg zu einer reinen Wirkungsfunktion gebracht. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse setzt sich ein Wandel in den Präventionsstrategien weg vom generellen Abstinenzpostulat hin zu Strategien zum verantwortungsvollen und sicheren Gebrauch zunehmend durch. Zwar geht es immer noch um den möglichst späten Einstieg in den Alkoholkonsum, die Vermittlung von Konsumkompetenzen und die Erreichung von sog. Punktnüchternheit geraten immer mehr in den Vordergrund. Dies erhöht deutlich den Bezug zur real existierenden jugendlichen Lebenswelt und damit die Glaubwürdigkeit der Alkoholprävention.

Literatur: Hurrelmann, K. & Settertobulte, W. (2008). Alkohol – kulturelle Prägung und Problemverhalten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 28/2008, S. 9 – 14.

Settertobulte, W. (2010). Die Bedeutung von Alkohol und Rausch in der Lebensphase Jugend. In: Niekrenz, Y. & Ganguin, S. (Hrsg.): Jugend und Rausch – Interdisziplinäre Zugänge zu jugendlichen Erfahrungswelten. Weinheim, München: Juventa Verlag, S. 73 – 84.