Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A359
DOI: 10.1055/s-0032-1323522

Gesundheitskultur In Unternehmen Stärken – Präsentismus und Organisationale Gesundheitskompetenz

R Wieland 1, M Hammes 2, Y Winkler 1
  • 1Bergisches Kompetenzzentrum für Gesundheitsmanagement und Public Health, Wuppertal
  • 2Kompetenzzentrum für Fortbildung und Arbeitsgestaltung, Wuppertal

Einleitung:

Die Gesundheitskultur eines Unternehmens bildet das Fundament betrieblichen Gesundheitsmanagements und ist Ausdruck von organisationaler Gesundheitskompetenz. Krankheitsbedingte Fehlzeiten sind ein großer betrieblicher Kostenfaktor. Entscheidender, aber weitaus weniger sichtbar sind Produktivitätsverluste, die entstehen wenn Beschäftigte krank zur Arbeit gehen (Präsentismus). Besteht ein Zusammenhang zwischen organisationaler Gesundheitskompetenz und Präsentismus?

Material und Methoden:

Eine Internetstudie zur Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Arbeit, Persönlichkeit und Gesundheit wurde in Kooperation mit der Barmer GEK entwickelt und durchgeführt. Studienpopulation: 4764 Bundesbürger (66,7% weiblich, 33,3% männlich, Durchschnittsalter: 43).

Ergebnisse:

Es besteht ein signifikanter Zusammenhang von organisationaler Gesundheitskompetenz und Präsentismus. In Unternehmen mit sehr geringer organisationaler Gesundheitskompetenz liegt die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz Krankheit mit 19 Tagen doppelt so hoch wie in „gesunden Unternehmen“ (p<0,001). Knapp ein Viertel der Beschäftigten an Arbeitsplätzen mit sehr geringer organisationaler Gesundheitskompetenz befürchtet berufliche Nachteile, wenn sie nicht zur Arbeit gehen, obwohl sie krank sind. Überraschend sind allerdings die am häufigsten genannten Motive krank zur Arbeit zu gehen: „Pflichtgefühl“, „Teamgeist“ und „Normal leben“.

Schlussfolgerungen:

Aufgrund von ökonomischen und gesundheitlichen Auswirkungen von Präsentismus sollten dringend Ursachenanalysen erstellt und präventive Interventionskonzepte initiiert werden. Der Aufwand lohnt sich, da hohe Präsentismusraten nicht allein die Produktivität beeinträchtigen, sondern langfristig auch Fehlzeiten (durch eventuelle Chronifizierung von Krankheiten) erhöhen. Die Gesundheit von Beschäftigten sollte als Wert verstanden werden und integraler Bestandteil von Unternehmenspolitik und -philosophie sein.

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