Diabetologie und Stoffwechsel 2013; 8 - P194
DOI: 10.1055/s-0033-1341854

Schweres Hirnödem bei Manifestation eines Typ 1 Diabetes im Kindesalter

K Warncke 1, 2, 3, P Dreßel 1, AG Ziegler 2, 3, M Steinborn 1, S Burdach 1, I Engelsberger 1
  • 1Kinderklinik München Schwabing – Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum Schwabing, StKM GmbH und Klinikum rechts der Isar (AöR), Technische Universität München, München, Germany
  • 2Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, und Forschergruppe Diabetes, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München, Neuherberg, Germany
  • 3Forschergruppe Diabetes e.V., Neuherberg, Germany

Einleitung: Ein Hirnödem stellt eine seltene und gefährliche Komplikation der diabetischen Ketoazidose dar. Es kann sich unter Therapie durch rasche osmotische Veränderungen entwickeln, aber auch bereits vor Therapiebeginn – wie bei der hier berichteten Patientin – vorliegen.

Fallbericht: Ein 12 Jahre altes Mädchen wurde bei Kopfschmerzen und Exsikkose stationär eingewiesen.

Bei Aufnahme war die Patientin desorientiert und in reduziertem Allgemeinzustand. Es bestanden trockene Schleimhäute, ein Meningismus und eine Kussmaul'sche Atmung. Weitere Parameter bei Aufnahme: RR 130/70 mmHg, HF 150/min, Temperatur 37 °C. Das CCT zeigte ein diffuses Hirnödem. Im Labor fielen eine schwere metabolische Azidose (pH 6,95, pCO2 10,8 mmHg, HCO3 - 2,4 mmol/l, BE -27,1 mmol/l), ein Blutzucker von 377 mg/dl, eine Hyperosmolalität (321 mosm/kg; Norm 275 – 300), sowie ein HbA1c von 11,9% auf.

Zunächst erfolgten vorsichtige Rehydrierung mit NaCl 0,9% und i.v. Insulintherapie. Ab einem Blutzuckerwert < 250 mg/dl wurde auf eine isotone Infusionslösung aus Glucose 5%, 1 molarer NaCl- und 1 molarer KCl-Lösung und Natriumhydrogenphosphat umgestellt. Der Blutzuckerwert war rückläufig und die Azidose besserte sich. Rehydratation, i.v. Insulinsubstitution und Elektrolytkorrektur erfolgten über 72 Stunden. Nach 24 Stunden war die Patientin wieder orientiert Die acht Tage später durchgeführte Kernspintomografie des Gehirns zeigte einen Normalbefund.

Drei Monate vorher war bei dem Kind ein oraler Glucosetoleranztest durchgeführt worden, der einen 2-Stunden-Glucose-Wert < 140 mg/dl und eine suffiziente Insulinproduktion gezeigt hatte. Der HbA1c Wert lag damals bei 6,1 mg/dl. Wegen des Nachweises von Diabetes-spezifischen Autoantikörpern war über das potentielle Risiko für Typ 1 Diabetes aufgeklärt worden.

Schlussfolgerungen: Ein Hirnödem vor Therapie einer Ketoazidose tritt selten auf. Pathophysiologisch entwickelt sich zunächst eine metabolische Azidose. Dehydratation und Hypokapnie führen zu Vasokonstriktion, zerebraler Minderperfusion und zur Ausbildung eines zytotoxischen Ödems [Glaser et al. 2009]. Die Diagnosestellung eines Diabetes mellitus Typ 1 mit Ketoazidose und Hirnödem war erschwert, da die neurologische Symptomatik im Vordergrund stand, und Diabetes-assoziierte Symptome nicht berichtet wurden. Neben dem Auftreten des Hirnödems war die schnelle Progression zum Typ 1 Diabetes ungewöhnlich. Drei Monate vorher hatte noch eine normale Stoffwechsellage mit ausreichender Insulinsekretion bestanden. Ereignisse, die das rasche Fortschreiten des Autoimmunprozesses getriggert haben könnten, wurden nicht berichtet. Bei Kindern mit plötzlich auftretender schwerer neurologischer Symptomatik sollte das Vorliegen eines Hirnödems bei Ketoazidose differentialdiagnostisch in Betracht gezogen werden. Typische Symptome werden nicht immer berichtet. Eine diabetische Stoffwechsellage kann sich in seltenen Fällen extrem schnell entwickeln, wenn Diabetes-assoziierte Autoantikörper vorliegen.