Gesundheitswesen 2014; 76(02): e1-e6
DOI: 10.1055/s-0033-1343441
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die berufliche und private Situation von Ärztinnen und Ärzten zu Beginn der fachärztlichen Weiterbildung

The Professional and Private Situation of Male and Female Physicians Entering Postgraduate Medical Education in Germany
H. van den Bussche
1   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
,
C Wonneberger
1   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
,
S Birck
1   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
,
J.-H. Schultz
2   Klinik für Allgemeine Internistische Medizin und Psychosomatik, Universität Heidelberg
,
B.-P Robra
3   Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, Universität ­Magdeburg
,
A. Schmidt
5   Medizinische Klinik, Universität Erlangen
,
C Stosch
6   Studiendekanat der Medizinischen Fakultät, Universität Köln
,
R. Wagner
7   Studiendekanat der Medizinischen Fakultät, Universität Gießen
,
M Scherer
1   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
,
K. Pöge
4   Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung, Universität Leipzig
,
K Rothe
4   Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung, Universität Leipzig
,
B Gedrose
1   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
16 August 2013 (online)

Zusammenfassung

Ziel:

Im Rahmen einer multizentrischen Kohortenstudie von Absolventen und Absolventinnen des Medizinstudiums wurde die Frage untersucht, in welchen beruflichen und privaten Konstellationen die fachärztliche Weiterbildung begonnen wurde. Unter besonderer Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede wurden u. a. die Vertragsgestaltung, die Arbeitszeiten, die Berufstätigkeit des Partners bzw. der Partnerin sowie der zeitliche Aufwand für Tätigkeiten im Haushalt bzw. bei der Kinderbetreuung analysiert.

Methodik:

Es wurde eine standardisierte postalische Befragung aller Absolventinnen und Absolventen des Medizinstudiums des Jahrgangs 2009 in den medizinischen Fakultäten Erlangen, Gießen, Hamburg, Heidelberg, Köln, Leipzig und Magdeburg durchgeführt. Die Zweitbefragung erfolgte ein Jahr nach Ende des Praktischen Jahres (N=1 009); die Rücklaufquote betrug 87%. Angewandt wurden deskriptive Statistik und Regressionsanalysen.

Ergebnisse:

Unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten zeigt diese Untersuchung, dass Ärztinnen im Vergleich zu Ärzten bei vielen als karriererelevant geltenden Aspekten der beruflichen und sozialen Situation bereits zu Beginn der Weiterbildung im Rückstand sind, insbesondere wenn Kinder vorhanden sind. Wir fanden mehre Hinweise auf eine Persistenz der traditionellen Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau in der Partnerschaft, unabhängig davon ob ein Kind vorhanden war. In den neuen Bundesländern fanden wir einen ­signifikant höheren Anteil von Befragten mit Kind, und einen höheren Anteil von Befragten mit professionell betreutem Kind.

Schlussfolgerungen:

Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird die Zahl der Kinder bei den Befragten vermutlich zunehmen, was eine Überprüfung der beschriebenen geschlechtsspezifischen Unterschiede ermöglichen wird. Dies gilt vor allem für die Frage, wie sich die anfänglichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern im weiteren Berufsverlauf auswirken.

Abstract

Aim:

This study investigated the professional and the private situation of medical interns at the onset of their postgraduate training in Germany. We analysed the contractual situation and the working hours in the hospital, the professional situation of the partner and the number of hours invested in private life with special reference to gender and children.

Method:

A standardised postal survey was conducted among all last year medical students in the medical faculties of Erlangen, Giessen, Hamburg, Heidelberg, Cologne, Leipzig and Magdeburg after entering postgraduate training. 1 009 were contacted for a first follow-up one year later and 87% responded. Descriptive statistics and regression analysis were performed.

Results:

The analysis shows that female physicians are disadvantaged compared to males with regard to various professional and private conditions relevant for career development, especially when children are present. We found a large number of hints pointing towards a persistence of traditional role patterns within the couple relationship. These conditions differed substantially between the regions of former German Federal and former German Democratic Republic.

Conclusions:

A growing number of children in the study population in the course of the longitudinal analysis will show if these gender-related differences persist in the course of the training period and which influences on career development can be observed.

 
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