Gesundheitswesen 2014; 76(04): e7-e13
DOI: 10.1055/s-0033-1351272
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Funktionsweise und Auswirkungen des Referenzpreissystems bei Impfstoffen nach §130a Abs. 2 SGB V: eine Analyse am Beispiel der Grippeimpfstoffe

Mechanics and Effects of European Reference Pricing for Vaccines in Germany According to §130a Abs. 2 SGB V: An Analysis Using the Example of Influenza Vaccines
J. Barth
1   Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement, Universität Erlangen-Nürnberg
,
T. Hammerschmidt
2   GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG, München
,
J. Vollmar
2   GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG, München
,
M. Bierbaum
1   Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement, Universität Erlangen-Nürnberg
,
O. Schöffski
1   Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement, Universität Erlangen-Nürnberg
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
30. September 2013 (online)

Zusammenfassung

Zielsetzung:

Am 01. Januar 2011 ist das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, AMNOG) in Kraft getreten. In diesem Rahmen wurde für den Impfstoffmarkt ein Referenzpreissystem eingeführt um die deutschen Impfstoffpreise an das als niedriger vermutete Preisniveau anderer Staaten der europäischen Union (EU) anzupassen. Im Folgenden wird die Umsetzung, die Funktionsweise und die Auswirkungen dieses neuen Systems beschrieben. Des Weiteren wird anhand des Beispiels der Grippeimpfstoffe analysiert, welchen Einfluss die Referenzpreise auf das Preisgefüge haben.

Methodik:

Das Referenzpreissystem wird anhand des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes und des Schreibens des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband, GKV-SV) vom 22. Juni 2011 an die Verbände der Arzneimittelhersteller und Arzneimittelimporteure beschrieben. Der Analyse der Impfstoffpreise liegen die Daten des i:data-Report (Stand: 01. September 2011) des ifap Service-Instituts zugrunde.

Ergebnisse:

Der europäische Referenzpreis eines Impfstoffes wird als Durchschnittspreis aus den tatsächlich gültigen Abgabepreisen des entsprechenden Impfstoffes in den 4 Ländern der europäischen Union, deren Bruttonationaleinkommen dem deutschen am nächsten kommt und in denen der Impfstoff vertrieben wird, berechnet. Die hierzu herangezogenen Preise werden dabei mit den Umsatzanteilen und Kaufkraftparitäten (KKP) für Gesundheitspflege der jeweiligen Länder gewichtet. Die vorliegende Analyse weist darauf hin, dass insbesondere die praktische Umsetzung des Referenzpreissystems weiter verbessert und konkretisiert werden sollte. Zum einen sollte die Berechnung der Referenzpreise durch den GKV-SV so ausgestaltet werden, dass eine Vergleichbarkeit der Preise ­gewährleistet ist. Außerdem bestehen erhebliche Probleme bei der Abrechnung der Abschläge, da in der Dokumentation der impfenden Ärzte zunächst nicht unterschieden werden konnte, ob eine Impfung als Pflicht- oder Satzungsleistung erbracht wurde. Der Vergleich der Herstellerabgabepreise der einzelnen Grippeimpfstoffe mit den entsprechenden Referenzpreisen zeigt jedoch sowohl bei den Einzelpackungen als auch bei den Zehn­erpackungen nach Einführung des Referenzpreissystems eine Vergrößerung der bereits bestehenden Preisunterschiede, die sich im wettbewerblichen System entwickelt haben.

Schlussfolgerung:

Bei der Umsetzung des Referenzpreissystems besteht weiterhin Verbesserungsbedarf. Bei den Grippe­impfstoffen kann voraussichtlich durch das Referenzieren eine Reduktion der Ausgaben für die GKV erreicht werden, allerdings wird das wettbewerbliche Preisniveau verzerrt.

Abstract

Objectives:

On 01 January 2011 the bill for the reorganisation of the pharmaceutical market became effective. Since that time there is a European reference pricing (ERP) system for vaccines in order to bring down the German vaccine prices to an assumed lower European level. This study describes the implementation, functioning and effect of this new system. For influenza vaccines the impact of ERP on the price level and spread of prices is analysed.

Methods:

The description of the mechanism is based on the law and corresponding regulations of the head association of sickness funds (GKV-SV). The analysis of vaccine prices is based on the data of the i:data report (status of 01 September 2011) of ifap Service Institute.

Results:

The European reference price is calculated as the average price of the manufacturer-selling-prices of the corresponding vaccine in the 4 countries of the European Union whose gross national income comes closest to the German one and in which the vaccine is distributed. The relied prices are weighted by sales and purchasing power parities of the respective countries. This analysis suggests that in particular the practical implementation of the reference price system should be further improved and specified. The calculation of the reference prices should ensure price comparability. In addition, significant pro­blems remain in the deduction of discounts, because no distinction is made in the documenta­tion of vaccinating doctors, whether vaccination was performed as a compulsory or statutory benefit. The comparison of the manufacturer-selling-prices of individual influenza vaccines with the corresponding reference prices shows an enlargement of the existing price differences, which have evolved in a competitive environment, after the implementation of the reference pricing ­system.

Conclusions:

There is still a need for improvement in implementing the reference pricing system. In the most competitive vaccine market of influenza vaccines, the ERP-system lowers the prices, but seems to distort the market prices.