Suchttherapie 2013; 14 - S_06_3
DOI: 10.1055/s-0033-1351425

Die Bedeutung früher Traumaerfahrungen bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit

N Potthast 1, F Neuner 1, C Catani 1
  • 1Universität Bielefeld

Einleitung: Die gegenwärtige empirische Befundlage belegt ein gehäuftes gemeinsames Auftreten von traumatischen Erfahrungen, Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und Suchterkrankungen. Insbesondere Missbrauchs- und Ablehnungserfahrungen im Kindesalter können das Risiko für die Entwicklung substanzbezogener Störungen deutlich erhöhen. Eine eindeutige Klärung der dem genannten Zusammenhang zugrundeliegenden Mechanismen ist bisher noch nicht erfolgt. Befunde weisen darauf hin, dass psychische Erkrankungen wie Depression oder PTBS eine wichtige mediierende Rolle spielen können. Ferner sind auch unbewusste, automatische Prozesse als zugrundeliegende Mechanismen denkbar. Es wird vermutet, dass diese vor dem Hintergrund eines assoziativen Netzwerkmodells des Gedächtnisses zu verstehen sind, in welchem das Verlangen nach Suchtmitteln ebenso gespeichert ist wie dessen Auslöser und Folgereaktionen. Auch traumaassoziierte Reize sind vermutlich als Auslösefaktoren in diesem Netzwerk lokalisiert. Das Ziel der vorliegenden Studie bestand darin, diese angenommenen Mechanismen experimentell sowie mithilfe von Selbstberichten zu untersuchen.

Methode: Hierzu wurden bisher bei über 70 Patienten mit einer Alkoholabhängigkeit mittels standardisierter klinischer Interviews u.a. kindliche Missbrauchs- und Ablehnungserfahrungen, belastende Sozialerfahrungen in der Peer-Group, der Konsum psychotroper Substanzen sowie verschiedene psychopathologische Aspekte (SKID-Diagnosen, Depressivität, Schwere der PTBS-Symptomatik etc.) erfasst. Zur Untersuchung der unbewussten, automatischen Prozesse wurde mithilfe eines Priming-Experiments überprüft, ob die Konfrontation mit traumarelevanten Reizen zu einer automatischen Aktivierung des assoziativen Gedächtnisnetzwerks im Sinne der unbewussten, automatischen Prozesse führt.

Diskussion/Ergebnisse: Die Ergebnisse des klinischen Interviews weisen auf hohe Raten früher Traumatisierungen in der Kindheit, eine erhebliche psychopathologische Belastung sowie hohe Komorbiditätsraten hin. Bei der Vorhersage von verschiedenen Aspekten der Suchtsymptomatik scheint emotionale Misshandlung einen bedeutsamen Erklärungswert zu haben. Die angenommenen Mediatoren ließen sich statistisch nicht nachweisen. Neben diesen Befunden aus der Interviewstudie sollen erste Ergebnisse der Experimentalstudie vorgestellt werden.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der Interview- und der Experimentalstudie sollen diskutiert sowie mögliche Implikationen für Wissenschaft und Praxis aufgezeigt werden.