Z Gastroenterol 2014; 52(2): 235-236
DOI: 10.1055/s-0033-1362269
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Strategien für mehr Akzeptanz – AOK-Modellvorhaben zur Kolonkapsel-Endoskopie

Marwan Khoury
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Publication Date:
17 February 2014 (online)

Die Chancen einer konsequenten Darmkrebsprävention sind allgemein bekannt. Doch obwohl die Vorsorgekoloskopie seit 2002 von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird, ist die Akzeptanz der Darmkrebsfrüherkennung in Deutschland zu niedrig. Im Nordosten Bayerns ist die Darmkrebshäufigkeit überdurchschnittlich hoch – teils doppelt so hoch wie in anderen bayerischen Regionen. Zugleich ist dort nach Angaben des Instituts für Krebsepidemiologie die Inanspruchnahme der Koloskopie besonders gering.

Dies war Motivation für die AOK Bayern, im Rahmen eines Modellvorhabens (§ 63 SGB V) Strategien zu erproben, die Akzeptanz für die Darmkrebsprävention zu steigern. Die AOK Bayern bietet dazu ihren Versicherten im Raum Hof als Alternative zur präventiven Koloskopie die Möglichkeit zur Kapselendoskopie des Kolons. Damit sollen besonders Gruppen zur Vorsorge motiviert werden, die die Koloskopie ablehnen. Gründe für die Wahl der Kolonkapselendoskopie waren, dass diese Methode in Studien eine vergleichbare diagnostische Wertigkeit wie die Koloskopie zeigen konnte (Eliakim, R. et al., 2006; Spada et al., 2011; Rex, D. et al., 2013), nichtinvasiv und damit komplikationsarm und mit keinerlei Strahlenbelastung verbunden ist. Studien haben darüber hinaus eine hohe Akzeptanz der Methode bei Patienten gezeigt (Groth, S. et al., 2012). Studien zeigen, dass der Einsatz der Kolonkapselendoskopie kosteneffizient ist, wenn es dadurch gelingt, die Teilnahme an der Darmkrebsprävention zu steigern (Hassan, C. et al., 2008).

Teilnehmen können Versicherte der AOK Bayern, die Anspruch auf eine Vorsorgekoloskopie haben (55–75 Jahre, letzte präventive Koloskopie liegt mindestens zehn Jahre zurück). Versicherte mit familiärem Risiko eines kolorektalen Karzinoms (mindestens ein Verwandter ersten Grades erkrankt) können bereits ab dem 45. Lebensjahr teilnehmen.

Da die Kapselendoskopie des Kolons im Gegensatz zur Koloskopie eine rein diagnostische Maßnahme darstellt, sollen im Modellvorhaben gezielt Versicherte mit einem durchschnittlichen Interventionsrisiko angesprochen werden. Es wurden daher Ausschlussgründe definiert, bei denen die Kapselendoskopie nicht angezeigt ist und der Versicherte stattdessen zu einer klassischen Koloskopie motiviert werden soll:

  1. chronisch-entzündlichen Darmerkrankung

  2. Zustand nach kolorektalem Karzinom

  3. Signifikante Stenosen des Magen-Darm-Traktes

  4. Signifikante Schluck- oder Motilitätsstörungen

  5. frühere Operation des Dickdarms einschließlich schwierige Operation des Blinddarms

  6. vorliegender auffälliger Befund

  7. vorbefundliche Polypen im Kolon

  8. bestehende bösartigen Erkrankungen an anderen Organen

  9. Kontraindikation für die Darmreinigung

Vertragspartner der AOK Bayern ist aktuell ausschließlich das MVZ Hochfranken in Hof. Bei positiven Resultaten ist die Ausweitung auf weitere Regionen bzw. Leistungsanbieter grundsätzlich möglich. Das MVZ Hochfranken wurde ausgewählt, da dort bereits Erfahrungen mit der Methode der Kapselendoskopie bestanden und die notwendigen Kapazitäten vorhanden waren, um die neue Methode in den Praxisalltag zu integrieren. Wichtig war dabei vor allem die Möglichkeit, Versicherten die Option anzubieten, bei relevanten Befunden der Kapselendoskopie noch am selben Tag eine therapeutische Koloskopie durchführen zu lassen. Dafür wurde ein Prozess entwickelt, der die Prozedur von der Darmvorbereitung über die Kapseleinnahme, die Untersuchung bis hin zur Auswertung und ggf. notwendigen Folgekoloskopie genau festlegt.

Die Sicherung einer hohen Qualität der Untersuchung ist ein erklärtes Ziel des Modellvorhabens. Dazu besteht auch eine enge Kooperation mit dem Kapselhersteller Given Imaging. Die am Projekt teilnehmenden Ärzte sowie ausgewählte Mitarbeiter im MVZ wurden nochmals speziell in der Methode geschult. Für schwierige Fälle steht ein erfahrener Kollege zur Zweitmeinung zur Verfügung. Wichtiger Bestandteil des Projektes ist eine umfassende Dokumentation, die alle wesentlichen Untersuchungsschritte (Anamnese, Darmvorbereitung, Untersuchungsverlauf, Befunde) erfasst. Sie erfolgt rein elektronisch und steht für das laufende Qualitätsmanagement sowie für die begleitende wissenschaftliche Evaluation zur Verfügung.

Das Modellvorhaben wird über eine Dauer von zwei Jahren durchgeführt. Es schließt sich eine Evaluation an, die durch das Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) am Klinikum der Universität zu Köln durchgeführt wird. Bewertet werden sollen unter anderem, ob durch das zusätzliche Angebot der Kolonkapselendoskopie die Teilnahme an der Darmkrebsprävention signifikant gesteigert werden kann. Auch die Einhaltung definierter Qualitätsstandards (z. B. Einhaltung der Ein- und Ausschlusskriterien) sind Gegenstand der Evaluation.

Die ersten Erfahrungen sind positiv: das Angebot wird von den Versicherten gut angekommen, so dass die angebotenen Termine für die Kolonkapselendoskopie (derzeit: 10 Termine pro Woche) komplett vergeben werden können. Erste Auswertungen sollen in der ersten Jahreshälfte 2014 zur Verfügung stehen.