Diabetologie und Stoffwechsel 2014; 9(1): 28-29
DOI: 10.1055/s-0033-1362383
Erwiderung
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Erwiderung – Antwort auf den Leserbrief von Herrn Dr. Kleinwechter

Lutz Heinemann
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Publication Date:
31 March 2014 (online)

Herr Kleinwechter kritisiert in seinem Leserbrief Aussagen, die in einem sehr kurzen Passus zum Einsatz von CGM bei Schwangeren gemacht werden. Zunächst gilt es festzuhalten, dass dieser Fortbildungsartikel kein systematisches Review zum Thema CGM und dessen klinischen Nutzen insgesamt darstellt (vor allem nicht zum Thema CGM und Schwangerschaft), sondern einen Überblick über das Thema mit einem Fokus auf aktuelle Studien geben soll. In diesem Sinne wurden auch die beiden Quellen ausgewählt, sie sollen dem Leser einerseits den Hinweis auf eine hochrangig publizierte Studie zu einem harten Endpunkt geben (s. 2. in der Literaturliste von Herrn Kleinwechter), als auch auf einen guten Übersichtskommentar verweisen. Dass der Passus zu Schwangeren Raum zu Missverständnissen bietet, bedauere ich. Ich stimme einer Reihe von Ansichten die Herrn Kleinwechter in seinem Leserbrief darlegt, nicht überein:

  • Die Aussagen von Herrn Kleinwechter zu den Ergebnissen der Studie von Helen Murphy sind richtig. Das Ziel dieser Studie war die mütterliche Stoffwechseleinstellung, Fehlbildungen waren kein Endpunkt. Der Aussage von Frau Murphy, die Herr Kleinwechter zitiert, kann man nur zustimmen.
    Es bleibt aber die Frage, ob durch kontinuierlichen Einsatz von CGM-Systemen nicht ein anderes Ergebnis erreicht würde. Wir wissen ja bereits seit 2006 (!) aus der Guard-Control-Study mit nicht-schwangeren Patienten mit Typ-1-Diabetes: CGM bringt in intermittierender Anwendung (wie in der angesprochenen Studie von Helen Murphy) keinen Vorteil zu SMBG, sondern muss kontinuierlich angewendet werden. Daher ist hier noch nicht das letzte Wort gesprochen. Die JDRF, eine Patientenorganisation in den USA, die intensiv solche Forschung unterstützt, hat die CONCEPTT-Studie gestartet (http://www.jdrf.ca/news-and-media/in-the-news/advancing-research-to-improve-pregnancy-outcomes-in-t1d-jdrf-and-conceptt/). Diese Studie hat das Ziel, den Nutzen von CGM in Hinsicht auf das Erreichen einer besseren Stoffwechselkontrolle bei schwangeren Frauen mit Typ-1-Diabetes (oder solchen, die eine Schwangerschaft planen) zu untersuchen.
    Selbst wenn es bisher keine Studiendaten gibt, die signifikante Vorteile von CGM in der Schwangerschaft belegen, gilt für die Praxis, dass Frauen, die während der Schwangerschaft oft extreme Hypoglykämien in Kauf nehmen, um ihr Kind auf keinen Fall mit erhöhten Blutglukosewerten zu belasten, solche Situationen mit CGM besser handhaben können – sei es durch eigene Intervention, oder durch eine automatisierte Abschaltung der basalen Insulininfusion bei schwereren Hypoglykämien. Frauen, die CGM nutzen, fühlen sich durch die kontinuierlich verfügbaren Informationen über ihre aktuelle Stoffwechsellage sicherer. Als Konsequenz lassen die Schwangeren sich auf die erwünschten niedrigeren mittleren Blutglukosewerte ein. Durch zahlreiche bis zu 12 konventionellen Blutzuckermessungen pro Tag, die viele Schwangere praktizieren, kann dieses Stoffwechselziel nicht erreicht werden, ohne gleichzeitig viele Hypoglykämien zu riskieren. Die Frauen berichten, dass die CGM-Technologie sie extrem entlastet. Wenn die Frauen vor der Schwangerschaft schon CGM nutzen, dann haben sie neben der psychologischen Verbesserung auch die Chance, dass sich durch die verbesserte Stoffwechsellage das Risiko von Fehlbildungen reduziert. In einer Reihe von Studien mit Patienten mit Typ 1-Diabetes und einem adäquaten Studiendesign in den wurde in den letzten Jahren gezeigt, dass durch kontinuierliche Nutzung von CGM sowohl die Stoffwechselkontrolle verbessert als auch das Risiko Hypoglykämien zu erleiden verringert wird. Deshalb ist der Schluss, dass CGM bei schwangeren Frauen ebenfalls positiv wirkt, naheliegend, da bei ihnen dieselben Indikationskriterien gelten wie für nicht schwangere Patienten mit Typ 1-Diabetes: unbefriedigende Stoffwechsellage trotz Ausschöpfung der intensivierten Insulintherapie, häufige nächtliche Hypoglykämien, schwere Hypoglykämien.
    Kollegen die viel Erfahrung mit der Betreuung von Schwangeren mit Typ-1-Diabetes haben, beschreiben, dass die gezielte Anwendung von CGM während der Schwangerschaft und Stillzeit zu derselben Verbesserung bei den oben aufgeführten Endpunkten führt wie außerhalb der Schwangerschaft, die Indikation sich jedoch wesentlich häufiger stellt.
    Ein publiziertes Fallbeispiel ist da recht eindrucksvoll [1].
    Ein ernsthaftes Problem bei der Durchführung von Studien mit schwangeren Frauen ist deren Rekrutierung. Die meisten Frauen, die detailliert über CGM aufgeklärt werden, wie es im Zusammenhang mit einer Studie unabdingbar ist, möchten nicht in die Kontrollgruppe kommen, sondern die Vorteile von CGM für sich und ihr Kind nutzen. Diese Patientinnen wollen nicht auf CGM verzichten, „nur“ um an einer Studie teilzunehmen. Deshalb sind die Patientinnen vielfach bereit, die Kosten für CGM selbst zu übernehmen. In der Praxis scheint ein zunehmender Anteil von schwangeren Frauen CGM zu nutzen, vielfach in Kombination mit einer Insulinpumpentherapie. Hierbei bestehen unterschiedliche Optionen. In dem Register GestDiab, welches von Frau Dr. H. Adamczewski aus Köln federführend betreut und von winDiab unterstützt wird, werden Daten von schwangeren Frauen mit Diabetes gesammelt [2]. Eine aktuelle Auswertung davon zeigt, dass im Jahr 2011 42 % der Schwangeren mit Typ-1-Diabetes mit einer Insulinpumpentherapie behandelt wurden, davon nutzten 4 % die Kombination von CGM mit Insulinpumpe (=SUP). Im Jahr 2012 wurden 46 % dieser Schwangeren mit einer Insulinpumpentherapie behandelt, davon nutzten nun schon 19 % eine SuP (persönliche Mitteilung Fr. Adamczewski). Diese Steigerung zeigt, dass wir uns mit diesem Thema auseinander setzen müssen, auch wenn die Evidenz dafür noch nicht abschließend geklärt ist. Schaut man noch etwas weiter in die Zukunft, dann ist klar, in „absehbarer“ Zeit wird CGM einer noch weitergehenden Kombination für die Behandlung von Patienten mit Diabetes, also auch von Schwangeren, als Produkt verfügbar sein: als künstliche Bauchspeicheldrüse (Artificial Pancreas, AP). Eine aktuelle Studie mit 12 schwangeren Frauen mit Typ-1-Diabetes, die bereits eine gute Stoffwechselkontrolle (HbA1c 6,4 %) aufwiesen, zeigt, dass die automatisierte Insulinzufuhr (gesteuert durch CGM und einen Computeralgorithmus) eine vergleichbar gute Stoffwechselkontrolle bewirkt wie mit der bisherigen Therapie (Zeit im Zielbereich 81 % vs. 81 %), sogar mit weniger Zeit im niedrigen Blutglukosebereich (< 45 mg / dl; 0,0 % vs. 0,3 %. p = 0,04) [3]]. Schwangere mit ihrem Bedarf an einer optimalen Diabetes-Therapie stellen bestimmt eine wichtige Indikationsgruppe für den Einsatz von AP dar. Aktuell laufen Studien mit AP-Systemen (auch in Europa, z. B. im Rahmen des AP@home-Projektes), bei denen die Stoffwechselkontrolle von Patienten mit Typ-1-Diabetes über Wochen hinweg unter alltäglichen Bedingungen mit Hilfe der künstlichen Bauchspeicheldrüse erfolgt.

  • Die Ausführungen zu Fehlbildungen und deren Abhängigkeit von der Qualität der durchgeführten Untersuchung von Herrn Kleinwechter kann ich nichts hinzufügen.

  • Wie oben ausgeführt, wurden gezielt nicht nur Originalarbeiten ausgewählt, sondern eben auch Kommentare. Der Hinweis auf die negativen Ergebnisse der Studie der dänischen Arbeitsgruppe ist korrekt, dabei wurde bei dieser Studie – wie oben schon ausgeführt – CGM nicht kontinuierlich eingesetzt, sondern nur Intermittierend.

  • Der Kommentar von Herrn Kleinwechter zum Fehlen von Studien zum Einsatz von CGM während der Stillphase ist richtig, auch der Hinweis auf den dramatischen Abfall des Insulinbedarfs während dieser Zeit durch das Ansteigen der Insulinsensitivität.
    Aber gerade deshalb kommt es ja gerade zu häufigen Hypoglykämien, die auf Grund der Stillzeiten und des völlig unregelmäßigen Tagesablaufes der Mutter unvorhersehbar auftreten. Ziel meines Kommentars in dem CME-Artikel war der Hinweis auf die Phase nach der Geburt, in der die Mütter ihrer Stoffwechselkontrolle in der Praxis wohl häufig wenig Aufmerksamkeit widmen / widmen können.

  • Beim Lesen des gesamten CME-Artikels wird dem Leser klar werden, dass die dort von mir dargelegten Ansichten mit denen in der von Herrn Kleinwechter zitierten englischsprachigen Übersichtsarbeit von mir übereinstimmen. CGM ist ein gutes Werkzeug, dessen „Erfolg“ sehr von der adäquaten Betreuung und Schulung der Nutzer abhängt. Den entsprechenden Ausführungen von Herrn Kleinwechter über die Voraussetzungen, die für den Einsatz von CGM bei Schwangeren notwendig sind, kann ich nichts hinzufügen.

Ich stimme Herrn Kleinwechter deutlich zu in seiner Haltung, dass es gilt, die Sinnhaftigkeit von CGM (auch in Kombination mit Insulinpumpen) in randomisierten Studien zu belegen oder zu widerlegen. Gleichzeitig wundere mich jedoch über die Intensität, mit der er diese fordert, bevor er anscheinend bereit ist diese zugelassenen Produkte einzusetzen. Wenn wir darin übereinstimmen, dass es wichtig ist, adäquate Studien zum Nutzen von CGM durchzuführen, würde sich z. B. die Arbeitsgemeinschaft Diabetologische Technologie der DDG gerne in Zusammenarbeit mit Herrn Kleinwechter und entsprechenden Firmen an der Organisation solcher Studien in Deutschland beteiligen. Zusammenfassend kann ich die Entschiedenheit, mit der Herr Kleinwechter meinen Aussagen „widerspricht“, nicht recht nachvollziehen und möchte die Leser bitten, sich selber ein Urteil zu bilden.

 
  • Literatur

  • 1 Secher AL, Schmidt S, Norgaard K et al. Continuous glucose monitoring-enabled insulin-pump therapy in diabetic pregnancy. Acta Obstet Gynecol Scand 2010; 89: 1233-1237
  • 2 Adamczewski H, Weber D, Heinemann L et al. GestDiab 2008: Betreuung von Schwangerschaften in diabetologischen Schwerpunktpraxen. Diabetes, Stoffwechsel und Herz 2010; 19: 99-109
  • 3 Murphy HR, Kumareswaran K, Elleri D et al. Safety and efficacy of 24-h closed-loop insulin delivery in well-controlled pregnant women with type 1 diabetes: a randomized crossover case series. Diabetes Care 2011; 34: 2527-2529