Diabetologie und Stoffwechsel 2014; 9(3): 138
DOI: 10.1055/s-0033-1362657
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Referat – Gewichtsverlauf vor Diabetes-Typ-2-Diagnose

Kerstin Kempf
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Publikationsdatum:
15. August 2014 (online)

Hintergrund: Übergewicht und Adipositas erhöhen das Risiko für Typ-2-Diabetes (T2DM). Eine aktuell veröffentlichte prospektive Kohortenstudie ging der Frage nach, inwieweit der Diabetes-Manifestation eine erhebliche Gewichtszunahme vorausgeht.

Methoden: Im Rahmen der britischen Whitehall-II-Studie untersuchten Vistisen et al. Veränderungsmuster des BMI und anderer kardiometabolischer Risikofaktoren in der Zeit vor der T2DM-Diagnose. Sie schlossen 6705 Probanden ein, die zu Beginn der Untersuchung keinen Diabetes hatten. Im Untersuchungszeitraum von 1991 bis 2009 (Median 14,1 Jahre) wurden alle fünf Jahre klinische Untersuchungen durchgeführt. Um unterschiedliche Muster in der Entwicklung des Körpergewichtes zu identifizieren, wurden latente Klassenanalysen in Abhängigkeit von der BMI-Trajektorie durchgeführt. Die Trajektorien assoziierter kardiometabolischer Risikofaktoren wurden mittels adjustierter Modelle mit gemischten Effekten untersucht.

Ergebnisse: Während des Untersuchungszeitraums wurde bei 645 Personen ein T2DM diagnostiziert. Diese Patienten wurden – in Abhängigkeit von der Entwicklung des Körpergewichtes vor Diabetes-Manifestation – in drei Gruppen eingeteilt. Der größte Teil der Probanden konnte der Gruppe „stabil übergewichtig“ zugeordnet werden (n = 604; 94 %). Diese Personen wiesen während der Nachbeobachtungszeit eine durchschnittliche BMI-Zunahme um 2,3 Punkte auf. Der BMI bewegte sich jedoch weiterhin im Bereich, der von der WHO als „Übergewicht“ klassifiziert wird (bei Diagnose durchschnittlich 28,1 kg / m2). In dieser Gruppe wurde ab etwa fünf Jahren vor T2DM-Manifestation eine geringe Verschlechterung der Betazellfunktion und der Insulinsensitivität festgestellt. Die 15 Patienten der Gruppe „progressive Gewichtszunahme“ zeigten eine starke Gewichtszunahme lange vor T2DM-Manifestation sowie eine nachfolgende stetige Gewichtszunahme bis hin zum BMI-Bereich „morbide Adipositas“ (bei Diagnose durchschnittlich 41,1 kg / m2). Begleitet wurde diese durch eine lineare Erhöhung des Blutdrucks und eine exponentielle Zunahme der Insulinresistenz in den Jahren vor T2DM-Manifestation. Probanden in der Gruppe „beständig adipös“ (n = 26) waren bereits vor Beginn des Beobachtungszeitraumes hochgradig adipös. Während bei ihnen Körpergewicht und Insulinsensitivität stabil geblieben waren, wurde ein steter Verlust der Betazellfunktion festgestellt.

Folgerung: Bei der Mehrheit der Studienteilnehmer war in den Jahren vor T2DM-Manifestation das Körpergewicht stabil bzw. nur moderat angestiegen. Möglicherweise, so die Autoren, sollten sich daher Maßnahmen zur Diabetes-Prävention eher auf geringe Gewichtsabnahmen in der Allgemeinbevölkerung fokussieren als sich hauptsächlich auf die Senkung des Körpergewichts bei Hochrisikopatienten zu konzentrieren.

Dr. med. Winfried Keuthage, Münster