Z Gastroenterol 2014; 52(10): 1146
DOI: 10.1055/s-0033-1362815
Forschung aktuell
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Aktuell: Ebola in Westafrika – Epidemie außer Kontrolle: Neuinfektionen in Liberia, Guinea, Sierra Leone, Nigeria und im Senegal

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Publication Date:
20 October 2014 (online)

Aktuellen Erkenntnissen zufolge begann die derzeitige Ebolaepidemie in Westafrika bereits Anfang Dezember 2013 als kleiner Ausbruch in einem abgelegenen Dorf nahe der Stadt Guéckédou im Süden Guineas. Ein 2-jähriger Junge, der möglicherweise Kontakt zu einem frisch geschlachteten Flughund hatte, war das erste Opfer. Bei ihm infizierten sich weitere Familienmitglieder und auch eine Hebamme. Diese trug die Krankheit weiter in benachbarte Dörfer. Als sie schließlich im Krankenhaus von Guéckédou behandelt werden musste, verbreitete sich die Krankheit auch dort unter medizinischem Personal und Patienten.

Es sollte jedoch noch bis März 2014 dauern, bevor der Ausbruch als das erkannt wurde, was er war. In der Zwischenzeit konnte er sich über Hunderte von Kilometern in Guinea ausbreiten. In den Wochen danach erreichte er auch den Nachbarstaat Liberia. Ende April, Anfang Mai gab es dann Grund zur Hoffnung, die Fallzahlen sanken und der Ausbruch schien nach insgesamt 235 Fällen besiegt.

Ende Mai kam dann jedoch der Rückschlag: Binnen kürzester Zeit wurden zahlreiche Neuinfektionen gemeldet, betroffen waren dabei auch immer neue Gebiete. Gleich zu Beginn dieser neuen Infektionswelle griff der Ausbruch auch auf Sierra Leone über, im Juli erreichte er Nigeria und im September wurde ein erster Fall aus dem Senegal gemeldet. Bis zum 23. September stieg die Zahl der registrierten Verdachtsfälle auf insgesamt 6574, darunter befanden sich 3091 Todesopfer. Aufgrund einer vermutlich nach wie vor hohen Dunkelziffer, dürfte das tatsächliche Ausmaß des Ausbruchs noch verheerender sein.

Stark betroffen sind mittlerweile Liberia (letzte Meldung 23. September: 3458 Verdachtsfälle und 1830 verstorbene Infizierte), Guinea (1074 Verdachtsfälle und 648 Tote) sowie Sierra Leone (2021 Verdachtsfälle und 605 Tote). Hinzu kommen weitere 20 Fälle aus Nigeria (8 Tote) und ein Fall aus dem Senegal. Die Zahlen werden jedoch bei Veröffentlichung dieses Artikels bereits wieder überholt sein, da sich die Spirale der Neuinfektionen immer schneller dreht: Etwa 40 % der Fälle wurden allein in den letzten 3 Wochen vor Veröffentlichung dieser Statistik gemeldet.

Dies macht deutlich, dass die Epidemie derzeit außer Kontrolle ist. Die betroffenen Staaten, die teilweise zu den ärmsten der Welt gehören, sind mit der Situation komplett überfordert. In Liberia kam schon vor dem Ebolaausbruch nur ein Arzt auf 100 000 Menschen. Bis Anfang September hatten sich hier nun 152 Ärzte, Schwestern und Krankenpfleger mit dem Ebolavirus infiziert, 79 von ihnen waren an den Folgen der Infektion verstorben. Jeder erkrankte Mediziner ist hier auch ein spürbarer Verlust im Kampf gegen die Epidemie. Hinzu kommt, dass viele Krankenhausmitarbeiter aus Angst vor Infektionen ihre Arbeit niedergelegt haben – teilweise blieb ihnen gar keine andere Wahl, da nicht einmal die grundlegendsten Materialien zum Selbstschutz vorhanden waren: Oft fehlten schon Handschuhe, zwischenzeitlich gab es in ganz Liberia nicht mal mehr einen einzigen (!) Schutzanzug. Das gesamte Gesundheitswesen liegt damit am Boden, Kliniken und Praxen sind geschlossen, die wenigen existierenden Ebolastationen überfüllt, abgewiesene Ebolapatienten müssen nach Hause zurückkehren, wo sie weitere Menschen infizieren.

Dies bedeutet aber auch, dass zu den Hunderten Ebolatoten noch einmal ein Vielfaches an Opfern kommen wird, die durch andere, eigentlich heilbare Krankheiten sterben, wie etwa Malaria, Durchfallerkrankungen oder Geburtskomplikationen.

Ohne eine deutliche Steigerung der internationalen Hilfe werden die betroffenen Staaten die Lage nicht in den Griff bekommen. Zusätzlich zu materiellen Dingen wie Schutzanzügen, weiteren Krankenhausstationen und Medikamenten fehlt es vor allem an fachkundigem Personal – nicht nur für die unmittelbare Pflege von Ebolapatienten, sondern auch für die Überwachung von Kontaktpersonen. Bei 100 neuen Patienten pro Tag, die jeweils Kontakt zu mehreren Dutzend Personen hatten, ist dies ein organisatorischer Kraftakt. Wie wichtig es aber ist, hier sorgfältig zu arbeiten, und wie fatal auch nur ein durch die Maschen geschlüpfter Kontakt sein kann, zeigen die Ausbreitungswege in den beiden zuletzt betroffenen Staaten Nigeria und Senegal.

In Nigeria sah es zunächst so aus, als könne die Ausbreitung der Krankheit durch konsequentes Handeln vermieden werden. Der Indexfall, der auf dem Flug von Liberia in Nigerias Hauptstadt Lagos erkrankt war, wurde unmittelbar nach Landung isoliert; Personen, die während des Fluges oder am Flughafen mit ihm Kontakt hatten, wurden unter Quarantäne gestellt. Und bei den in den folgenden Tagen / Wochen gemeldeten Erkrankten handelte es sich auch tatsächlich ausschließlich um direkte Kontaktpersonen des Indexfalls. Ende August kam dann jedoch die Ernüchterung: Ein eigentlich unter Quarantäne stehender Diplomat war unbemerkt in die nigerianische Stadt Port Harcourt geflogen, wo er sich in seinem Hotelzimmer privat von einem Arzt behandeln ließ. Dieser Arzt erkrankte daraufhin ebenfalls, gab jedoch den Kontakt zu dem Ebolainfizierten nicht zu, sondern behandelte noch mindestens 2 Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome weitere Patienten und empfing auch, als er bereits schwerkrank war, zahlreiche Besucher. Mindestens 2 seiner Kontaktpersonen infizierten sich, etwa 200 weitere werden derzeit überwacht.

Auch der Mann, der das Virus in den Senegal brachte, stand in seiner Heimat Guinea bereits auf der Liste von Kontaktpersonen eines Ebolapatienten. Er tauchte jedoch unter und floh in den Senegal, wo er die folgenden 3 Wochen in einem dicht besiedelten Vorort der Hauptstadt Dakar verbrachte.

Dr. Raymund Lösch und
Dipl. Biol. Unn Klare, Bad Doberan

Nach Erstpublikation:
Flug u Reisemed 2014; 21 (5): 221–225

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Filamentöse Ebola-Viruspartikel auf Vero-Zellen (© CDC/ NIAID).