Suchttherapie 2014; 15(01): 8
DOI: 10.1055/s-0033-1363680
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sucht und Komorbidität

Addiction and Co-Morbidity
J. Reimer
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Publication Date:
10 February 2014 (online)

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Prof. Dr. med. Jens Reimer

Liebe Leserin, lieber Leser,

nun, da die Natur auch wieder erwacht, können wir uns mit den zarten Sonnenstrahlen möglicherweise erneut etwas schwierigeren Themen zuwenden. Franz Moggi beginnt seine Darstellung zur Behandlung von Patienten mit Suchterkrankungen und komorbiden psychischen Störungen mit einem 20 Jahre überbrückenden Rückblick unter dem Schlagwort mission impossible. Moggi breitet im Folgenden die aktuelle Datenlage zur Behandlung Sucht und psychischer Komorbidität auf, sein Résumé ist etwas positiver, aber auch nicht überschwänglich.

Wenn wir von somatischen Komorbiditäten bei Opiatabhängigen reden, kommen wir um Fragen der Hepatitis C Virusinfektion nicht herum. Die therapeutischen Optionen entwickeln sich rasant. Für den Patienten, bei dem die antivirale Therapie initiiert wird, sind die neuen Therapieoptionen und verbesserten Ansprechraten von erheblichem Vorteil. Auf der anderen Seite nimmt die antivirale HCV-Therapie einen Weg ähnlich wie die HIV-Behandlung, d. h. die Komplexität steigt. Um langfristig eine Eliminierung des Virus in der Population der Drogenabhängigen zu erreichen, bedürften wir Therapieaufnahmeraten von mindestens 10% jährlich, hiervon sind wir noch entfernt. Die Gefahr besteht, dass die neuen Therapieprotokolle nicht eben per se zur Behandlungsinitiierung stimulieren, wiewohl die Therapiedauer doch deutlich verkürzt werden kann. Jörg Gölz gibt in seinem Beitrag einen aktuellen Stand der Dinge über die antiviralen Therapieoptionen der HCV-Infektion.

Ergänzend zu den somatischen Komorbiditäten bei Opiatabhängigkeit widmen sich Norbert Scherbaum und Michael Specka den psychischen Komorbiditäten Opiatabhängiger. Die Selbstmedikationshypothese ist ja in der Suchthilfe und bei Betroffenen sehr beliebt, die beiden Kollegen zeigen noch weitere ätiologische Modelle auf. Dies darf jedoch nicht von der Minderversorgung psychischer Störungen bei Opiatabhängigen ablenken, immer noch beteiligen sich zu wenige Psychiater an der Versorgung dieser Patientengruppe.

Abschließend im Kontext der Arbeiten zur Komorbidität widmen sich Preuss und Kollegen dem Zusammentreffen von Alkohol und bipolarer Störung. Mittlerweile liegen zur Therapie hier Daten zur Behandlung mit Entwöhnungsmitteln und Stimmungsstabilisierern, allein oder in Kombination, sowie auch zu pschotherapeutischen Interventionen vor.

Weiterhin sind Doppeldiagnosen oder Komorbiditäten in der Psychiatrie, trotz hoher Prävalenz, ein in der Therapie sich langsam entfaltendes Feld. Zumindest zeigt sich in letzter Zeit, dass zur Behandlung der komorbiden Störung nicht immer Abstinenz notwendig ist (in der Substitu­tionsmedizin schon länger akzeptiert). Allerdings sollten in Zukunft störungsspezifische Therapiekonzepte sinnvoll miteinander kombiniert werden.

Schließlich haben Schulte und Mitarbeiter Möglichkeiten und Grenzen der Behandlung alkoholbezogener Störungen in der Hausarztpraxis evaluiert. Erfreulicherweise zeigt sich ein grundsätzliches Interesse der Hausärzte am Thema und einige Interventionen werden auch umgesetzt. Von der Aufnahme von motivierender Gesprächsführung und Kurzinterventionen in den medizinischen Ausbildungskanon würde sicherlich auch die Therapie von anderen chronischen Erkrankungen profitieren.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre!

Ihr Jens Reimer