Rofo 2014; 186(09): 842
DOI: 10.1055/s-0034-1369230
Brennpunkt
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Beschichtete Ballonkatheter zur Restenoseprophylaxe – RöFo Wissenschaftspreis – die herausragendste Arbeit

Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. August 2014 (online)

Prof. Ulrich Speck und Prof. Bernd Hamm vom radiologischen Institut der Berliner Charité haben in Zusammenarbeit mit Prof. Bruno Scheller, Kardiologe am Universitätsklinikum des Saarlandes einen aktuellen Forschungsüberblick zu medikamentenbeschichteten Ballonkatheter vorgelegt. Sie zeigen, wo diese derzeit bei der Behandlung verengter Gefäße zum Einsatz kommen und welche Vorteile sich für die Betroffenen daraus ergeben.

Fortschr Röntgenstr 2014; 186: 348–358

Bislang verwenden Mediziner Ballonkatheter hauptsächlich bei Gefäßverengungen der Beine und im Bereich des Herzens. So kommen die medikamentenbeschichteten Katheter beispielsweise bei einem Verschluss eines bereits implantierten Stents zum Einsatz, in Verengungen bzw. Verschlüssen von Oberschenkelarterien oder in verengten kleinen Herzkranzgefäßen.

Die beschichteten Ballons bewirken eine hohe lokale Arzneistoffkonzentration bei minimalen oder fehlenden systemischen Nebenwirkungen. Durch die Einführung der arzneimittelfreisetzenden Stents war ihre Entwicklung zum einen verzögert, andererseits gefördert: Verzögert, weil die lange Zeit anhaltende Freisetzung von einer Stent-Plattform als essenziell angesehen wurde und erleichtert, weil die bereits existierende Erfahrung mit den Stents bei der Wahl der Prüfmethoden und Arzneistoffe eine Hilfe war.

Derzeit sind mehrere unterschiedliche arzneimittelbeschichtete Ballonkatheter verfügbar, die grundsätzlich eine Schicht mit ca. 3 µg / mm² Paclitaxel auf der Ballonoberfläche tragen sowie unterschiedliche Zusätze, die die Haftung und Freisetzung des Wirkstoffs beeinflussen. Der Arzneistoff wird während einer einzelnen Inflation von 30–60 s weitgehend vollständig freigesetzt. Tierexperimentelle Untersuchungen und mehrere unabhängige randomisierte klinische Studien an koronaren und peripheren Arterien zeigen eine wirksame Verminderung der Neointimaproliferation, Restenose und Revaskularisierung, ein Effekt, der für mindestens 2, nach einer Studie an Koronarien auch 5 Jahre anhält. Die Einsatzgebiete der arzneimittelbeschichteten Ballone sind vor allem die koronare in-Stent-Restenose sowie de novo und restenotische Läsionen in peripheren Arterien.

Gegenüber der Implantation eines Stents, verbleibt bei der Behandlung mit einem BallonkRöRöFatheter kein Fremdkörper im Gefäß. Deshalb liegt die zusätzliche Gabe von blutverdünnenden Medikamenten bei der Ballonkathedermethode wesentlich niedriger. Insbesondere ältere Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankung bereits gerinnungshemmende Medikamente einnehmen, haben dadurch ein niedriges Blutungs- und damit Schlaganfallrisiko.

In klinischen Prüfungen wurden keine der Beschichtung zuzuordnenden unerwünschten Ereignisse registriert. Die anhaltende Wirkung kann durch die lange Verweilzeit von Paclitaxel im Gewebe erklärt werden oder durch die Hemmung eines essenziellen 1. Schritts in einer Kette von Ereignissen, die zur Neointimaproliferation führen.

Kommentar – Prof. Rolf W. Günther, Aachen / Berlin

Eine Übersichtsarbeit mit viel Resonanz bei Fachpublikum, Jury und Herausgebern muss schon etwas Besonderes bieten, wenn sie mit dem RöFo Wissenschaftspreis gewürdigt werden soll. Übersichtsarbeiten können im Prinzip von jedem geschrieben werden, der sich in die Literatur eingearbeitet hat und die Ergebnisse kritisch, kompetent und intelligent vorstellt. Aus erster Hand der Pioniere allerdings die Hintergründe sowie Daten zur experimentellen und klinischen Entwicklung einer unerwartet erfolgreichen Technik zu erfahren, macht einen entscheidenden Unterschied, der für Authentizität bürgt und direkte Einblicke gewährt.

Beschichtete Ballonkatheter sind in der Tat eine spannende Erfolgsgeschichte. Wer hätte gedacht, dass die initiale Benetzung der Intima mit Paclitaxel in einer bestimmten Konzentration – nach allem, was bis heute bekannt ist – die Kaskade der Intimaproliferation langfristig stoppt und das ohne unerwünschte Nebeneffekte, offenbar bei ganz gleich welcher Arterie und schließlich auch zu erschwinglichen Kosten? Das Aufbringen einer ausreichenden Menge an geeigneter Wirksubstanz auf den Ballon ohne Verlust während des Einbringens und deren wirksame Freisetzung scheinen hier der Schlüssel zum Erfolg bei der technischen Realisierung zu sein.

Klinisch war die Restenose der Koronarien das erste Behandlungsziel, das erfolgreich angegangen wurde. Schritt für Schritt setzte sich in den letzten Jahren die Erkenntnis durch, dass der Einsatz von Paclitaxel beschichteten Ballons eine verbesserte Langzeitdurchgängigkeit bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit etwa rekanalisierter Femoralarterien erreichen kann und die Aussicht auf ähnliche Ergebnisse eventuell popliteal besteht. Die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende. Andere Gefäße wie etwa Dialyseshunts und Carotiden erweitern die Grenzen der Anwendung bei Restenosen und auch die primäre Behandlung problematischer Läsionen mit beschichteten Ballons steht zur Diskussion.

Die zur Preisverleihung ausgewählte Arbeit beschäftigt sich somit mit einem hochaktuellen Thema. Sie kommt aus der Werkstatt der Pioniere auf diesem Gebiet und bietet hierzu Einsichten in Grundlagen und Entwicklung sowie eine umfassende Übersicht über den gegenwärtigen Stand von experimenteller und klinischer Forschung.