Gesundheitswesen 2014; 76 - V11
DOI: 10.1055/s-0034-1371564

Integrierte Versorgung aus der Sicht der Angehörigen psychisch Kranker

A Kroll 1, D Gagel 1
  • 1Gesundheitsamt Pankow zu Berlin, Leiter Sozialpsychiatrischer Dienst, Berlin

Angehörige psychisch kranker Menschen leben häufig unmittelbar mit den Betroffenen zusammen und kennen sie aus nächster Nähe. Gleichermaßen sind sie auf die professionelle Versorgung angewiesen. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, wie Angehörige die Konzeption zur Integrierten Versorgung im Netzwerk integrierte Gesundheitsversorgung (NiG) der PINEL gGmbH in Berlin beurteilen. Das NiG bietet Menschen in psychischen Krisen mit niedrigschwelligen, ambulanten Angeboten eine Alternative zur stationären Versorgung an. Große Bedeutung kommt den sog. Netzwerkgesprächen zu, in denen vor allem die Angehörigen einbezogen werden. Ziel der Untersuchung war es, qualitativ die in Berlin gemeindepsychiatrisch umgesetzte Integrierten Versorgung im Allgemeinen und des NiG im Speziellen auszuwerten und dabei Erkenntnisse zur Angehörigenperspektive und -beteiligung zu gewinnen. Sechs problemzentrierte Interviews mit Angehörigen wurden mit der qualitativen Inhaltsanalyse im Hinblick auf Erfahrungen mit dem Versorgungsangebot ausgewertet. Das Urteil der Angehörigen über das NiG fiel sehr positiv aus: Sie benannten positive Veränderungen sowie hilfreiche Konzepte und zogen das NiG als Vorbild für eine Idealversorgung heran. Konkrete Veränderungen seit Eintritt ins NiG Pinel wurden von ihnen bei sich selbst, bei den Betroffenen sowie in ihrer gemeinsamen Beziehung wahrgenommen. Zu den hilfreichen Konzepten zählen grundlegende Haltungen wie z. B. die Förderung von Eigenständigkeit und konkrete Arbeitsweisen wie z.B. Zuhören. Aus identifizierten Hindernissen (z.B. fehlende Einsicht oder mangelnde Verantwortungsübernahme) ließen sich Voraussetzungen für die erfolgreiche Teilnahme am NiG ableiten. Als Beitrag zur Angehörigenforschung wurde bestätigt, dass sich Angehörigenbeteiligung im Evaluationsprozess lohnt und mehr genutzt werden sollte. Für die Versorgungsforschung ergab sich die Konsequenz, dass die gemeindepsychiatrisch umgesetzte Integrierte Versorgung ausgebaut und in die Regelversorgung implementiert werden sollte.