Gesundheitswesen 2014; 76 - P46
DOI: 10.1055/s-0034-1371675

Möglichkeiten und Grenzen der Selbstbestimmung von Psychiatrieerfahrenen in der Klinik – unter Berücksichtigung eigener professionellen Erfahrungen

B Fritsch 1
  • 1Gesundheitsamt Berlin Pankow, Sozialpsychiatrischer Dienst, Berlin

Durch den Fall Mollath wurde eine breite gesellschaftliche Debatte angestoßen über die Voraussetzungen der Unterbringung in der Psychiatrie. Was versteht die Politik unter Rechten von Behinderten? Psychiatrie-Erfahrene kritisieren, dass es in erster Linie um Geld geht und um mehr Personal in den Einrichtungen, aber nicht um Grundrechte. Derzeit wird geprüft, ob Zwangsbehandlung Folter ist und Grundrechte außer Kraft setzt. In 2011 hat das Bundesverfassungsgericht die psychiatrische Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug für verfassungswidrig erklärt. Dies führte in vielen Kliniken dazu, dass PatientInnen weiter untergebracht, aber nicht behandelt wurden. Nun hat der Bundesrat die Zwangsbehandlung wieder gebilligt unter Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben. Zwang nimmt Vertrauen. Ein Konsens zu Zwangsmaßnahmen kann nicht erzielt werden. Aber welche Möglichkeiten bieten sich in der Beratung, um Selbstbestimmung zu erhalten und Zwangsmaßnahmen zu vermeiden? Für den Klinikalltag gibt es schon Ansätze, die die Selbstbestimmung in den Fokus setzen; z.B. das Konzept der Soteria Das Zauberwort heißt Akzeptanz und „Dranbleiben“ am Menschen. Wenn in Kliniken jedoch die Ökonomisierung regiert, dann wird für PatientInnen, die länger bleiben, kein Geld umgesetzt, somit ist der ethische Anreiz, sich Zeit zu nehmen und ein „nein“ zu akzeptieren hinfällig. Weitere Möglichkeiten der Selbstbestimmung könnten Patientenverfügungen und Behandlungsvereinbarungen darstellen. Perspektivisch können wir uns fragen, was ist nötig, um selbstverantwortlich in der Gesellschaft respektive Gemeinschaft zu leben? Menschen mit Psychosen befinden sich in einem ‚außerordentlichen‘ Zustand. Der Konflikt von Professionellen und Angehörigen ist der Spannungskreis zwischen Fürsorge und Autonomie. Die vorliegende Arbeit befasst sich ausgehend von der rechtlichen Grundlage mit den Möglichkeiten der Selbstbestimmung für die Betroffenen. Des Weiteren wird versucht, die Grenzen für Angehörige und Professionelle sichtbar zu machen. Es soll u.a. dargestellt werden, welche Konsequenzen die Ergebnisse für die psychosoziale Arbeit haben.