Rehabilitation (Stuttg) 2014; 53(02): 73
DOI: 10.1055/s-0034-1372597
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rehabilitation und Pflegebedürftigkeit

Rehabilitation and Need for Care
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
10. April 2014 (online)

Leistungen der Rehabilitation sollen die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit drohenden oder bestehenden Behinderungen sichern (siehe im Einzelnen SGB IX). Die Leistungen zur Rehabilitation haben Vorrang vor Rentenleistungen (Grundsatz: Reha vor Rente) und dienen auch dazu, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden (Grundsatz: Reha vor Pflege). Der erste Aufgabenbereich ist u. a. Schwerpunkt der gesetzlichen Rentenversicherung, der zweite ein Schwerpunkt der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Rehabilita­tionswissenschaften tragen dazu bei, die Leistungen in beiden Bereichen durch wissenschaftliche Studien zu optimieren. In den Beiträgen dieser Zeitschrift steht neben zahlreichen anderen Themen häufig die Rehabilitation erwerbstätiger Personen im Vordergrund. In dieser Ausgabe stellen wir eine Studie zum Verhältnis von Rehabilitation und Pflege vor.

Meinck et al. analysieren anhand von anonymisierten Abrechnungsfällen aus den Jahren 2008/2009 von Versicherten der Allgemeinen Ortskrankenkassen Zusammenhänge zwischen stationärer Früh­rehabilitation und/oder Rehabilitation und Pflegebedürftigkeit im Alter (65 Jahre und älter). Unter anderem wird die Entwicklung der Pflegebedürftigkeit über 12 Monate nach Inanspruchnahme der Leistung nachgezeichnet. Ausgangspunkt ist die Pflegestufe vor Beginn der Frührehabilitation/Rehabilitation. Bei den Analysen wird differenziert nach unterschiedlichen Typen der (Früh-)Rehabilitation (Frührehabilitation, Frührehabilitation kombiniert mit Anschlussrehabilitation, Anschlussrehabilitation ohne Frührehabilitation sowie sonstige Rehabilitationsmaßnahmen ohne vorhergehende Krankenhausbehandlung). Außerdem wurden die Teilgruppen „Geriatrie“ und „Orthopädie“ unterschieden. Insgesamt zeigen die Verläufe, dass die Anteile mit unveränderter Pflegestufe überwiegen, dass aber auch Verbesserungen und Verschlechterungen zu verzeichnen sind. Hinzu kommen Angaben zu Überlebensraten. Die Auswertung der Routinedaten erlaubt keine detaillierten Aussagen zur Wirksamkeit, wie z. B. zur Stabilisierung der Pflegebedürftigkeit innerhalb von Pflegestufen oder zu Veränderungen des Hilfebedarfs. Die Analysen geben deshalb Anlass zu weitergehenden empirischen Untersuchungen über den Zusammenhang von Rehabilitation und Pflege. Die Autoren schlagen zudem vor, kassenübergreifende Datenkörper mit ausreichender Fallzahl zu schaffen.

Die weiteren Beiträge beziehen sich auf unterschiedliche Themen. Driesel et al. berichten über die Ergebnisse einer bundesweiten schriftlichen Befragung von ambulanten und stationären Reha-Einrich­tungen zu Patientenschulungen mit arbeits- und berufs­bezogener Themenstellung. Entwicklungspotenziale werden u. a. in der weiteren Evaluation ­berufsbezogener Gruppenangebote sowie in der Entwicklung indikationsspezifischer Programme gesehen. Ein weiterer Beitrag von Rollnik et al. stellt die Ergebnisse einer prospektiven multizentrischen Evaluationsstudie zu medizinisch-beruflichen Rehabilitationseinrichtungen mit verschiedenen Indikationsgruppen dar (Neurologie, Psychiatrie/Psychosomatik, Orthopädie, innere Medizin) dar. Ein hoher Anteil der Studienteilnehmer (78,1%) war nach 2 Jahren wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig. In dem anschließenden Beitrag untersuchen Dirmaier et al. die Entwicklung von Therapiestandards bei Patienten mit depressiven Störungen auf der Basis von Daten der Klassifikation Therapeutischer Leistungen (KTL). Es werden vor allem große Unterschiede zwischen den Einrichtungen festgestellt.

In einer randomisierten, kontrollierten Studie von Buchholz und Kohlmann wird der Einsatz eines Fragebogens zur Definition von Reha-Zielen vor Antritt der medizinischen Rehabilitation analysiert und insbesondere untersucht, wie Patienten und Behandler den Nutzen und die Praktikabilität einschätzen. Eine flächendeckende Implementierung wird für die onkologische und orthopädische Rehabilitation positiv gesehen. Indikationsspezifische Differenzierungen (Psychosomatik) erscheinen sinnvoll. In dem anschließenden Beitrag stellen Feicke et al. eine Studie zu Selbstmanagementfähigkeiten bei Multipler Sklerose vor. Es werden die psychometrischen Eigenschaften des generischen Fragebogens FERUS evaluiert. Im Grundsatz können bisherige Ergebnisse repliziert, jedoch auch wichtige Optimierungsansätze des Fragebogens aufgezeigt werden. Der nachfolgende Beitrag von Scholz et al. prüft die dimen­sionale Struktur von in der orthopädischen Rehabilitation eingesetzten Instrumenten (Oswestry Disability Index, SF-12 und HADS-D). Die Studie bestätigt eine gute bis befriedigende faktorielle Struktur der etablierten Instrumente.

In der Rubrik „Aus der DGRW“ stellen Bengel et al. ein Positionspapier (Kurzfassung) zur Aus-, Fort- und Weiterbildung von Psychologen in der Rehabilitation vor. Der Beitrag beschreibt ausgehend von einem ­Tätigkeitsprofil der Psychologen in der somatischen sowie der beruflichen Rehabilitation insbesondere die rehabilitationspsychologischen Ausbildungsangebote an den Universitäten und Hochschulen. Es werden Entwicklungen und offene Fragen aufgezeigt und auch Empfehlungen ausgesprochen.

Neben einem Tagungsbericht enthält diese Ausgabe auch ein Interview zur Rehabilitation ­psychischer Störungen.

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