Zeitschrift für Palliativmedizin 2014; 15 - V63
DOI: 10.1055/s-0034-1374126

„Dann habe ich meine eigene Beerdigung geplant, weil das für mich so wichtig war.“ Existenzielle Bedrohung durch die Diagnose Darmkrebs – eine qualitative Analyse subjektiver Sinnstrukturen von Patienten

S Adami 1, G Lucius-Hoene 1
  • 1Institut für Psychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie, Freiburg, Deutschland

Fragestellung: Die Diagnose Darmkrebs führt durch die relativ hohe Sterblichkeitsrate vielen Patienten bei Diagnosestellung oder im Erkrankungsverlauf ihre Endlichkeit vor Augen. Der Frage, welche psychologischen Implikationen dies auf Lebenshaltung und Lebensgestaltung hat, wird durch die Analyse der subjektiven Sinnstrukturen nachgegangen.

Methodik: Im Rahmen des Projekts krankheitserfahrungen.de, einer Internetseite auf der Basis von erzählten Krankheitserfahrungen zur Information und Unterstützung von Betroffenen, wurden in einem maximum variation sampling mit 41 DarmkrebspatientInnen narrative, leitfadengestützte Interviews zu ihren Erfahrungen mit Krankheit, Medizin und Folgen für das Leben geführt. Die Interviewtranskripte wurden mit MAXQDA codiert. Das Thema Konfrontation mit der Endlichkeit wurde aus dem gesamten Themenspektrum herausgegriffen und qualitativ mit einer inhaltsanalytischen und textanalytischen Methodik ausgewertet.

Ergebnis: In der Analyse wurden narrative Konstruktionen exploriert, die die Reaktionen auf die Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit systematisch aufzeigen. Die Erzähler wiesen in ihrer kommunikativen Verhandlung des Themas unterschiedliche Narrationsmuster und Thematisierungsstrategien auf. Es ließen sich Typen von Sinnstrukturen und Handlungsorientierungen herausarbeiten, sowohl hinsichtlich des Einflusses auf die Lebenshaltung als auch auf die Lebensgestaltung. Einstellungs- und Handlungsebene waren als Hinweise auf zugrunde liegende Bewältigungsbemühungen unterschiedlich konsistent aufeinander bezogen.

Schlussfolgerung: Für die psychoonkologische und palliativmedizinische Begleitung von Darmkrebspatienten lassen sich Implikationen ableiten, die partiell auch auf andere Krankheitsbereiche mit potentieller Lebensbedrohung übertragbar sind. Eine wichtige Ableitung besteht in der „early integration“ von palliative care bei lebensbedrohlichen Erkrankungen, auch wenn die Prognose nicht infaust ist.